Rezension von „The Pyjama Cookbook“: Nerds am Herd

Der Synthesizer-Hersteller Korg hat das Kochbuch „The Pyjama Cookbook“ veröffentlicht. Darin empfehlen Künstler Bananen-Quark-Pampe und gute Musik.

Frau mit hennaroten Haaren und Sonnebrille isst Quark

Empfiehlt leckeres Essen: Musikerin und DJane Gudrun Gut Foto: Gudrun Gut/Korg Germany

Musiker, die mit Synthesizern hantieren, sind oft gut im Experimentieren und Improvisieren – zwei Fähigkeiten, die man auch in der Küche gut gebrauchen kann. Das dachte sich auch das Berliner Team des Synthesizer-Herstellers Korg, als es kürzlich ein kostenloses digitales Kochbuch veröffentlichte.

Befreundete Produzenten, Techniker, Künstler und Avantgardemusiker wie zum Beispiel Objekt (alias TJ Hertz), Suzanne Ciani und Thomas Fehlmann (Palais Schaumburg) stellen darin überwiegend einfach zuzubereitende Gerichte vor; auch Rezepte von Shortdrinks, Longdrinks und Gebackenem finden sich in der Rezeptesammlung.

Dabei hätte es „The Pyjama Cookbook. A Guide to Self-Feeding“, so der Titel des eBooks, ohne die Coronapandemie wohl nie gegeben. Denn die Herausgeber, die Synthesizer-Ingenieure Tatsuya Takahashi und Maximilian Rest, waren gerade erst damit beschäftigt, ein deutsches Entwicklungszentrum des japanischen Unternehmens Korg in Kreuzberg aufzubauen.

Anfang des Jahres bezogen sie ihre Büros, sie begannen ein Team aus Ingenieuren, Tüftlern und Programmierern zusammenzustellen, um an der Spree neue ­Effektgeräte, Sequenzer oder Module zu entwickeln. Dann zwang Corona sie in ihre Homeoffices. Und während Takahashi so im Schlafanzug zu Hause saß, Bewerbungsunterlagen sichtete und gelangweilt davon war, immer das Gleiche zu kochen und zu essen, entstand die Idee, Rezepte von Freunden und Musikern zu sammeln.

Bananen-Quark-Zitronensaft-Pampe für gute Laune

Daraus stellte das inzwischen zum Quartett angewachsene Korg-Team – Lydia und Verena Glup waren noch hinzugekommen – schließlich das 79 Seiten starke Kochbuch zusammen, gedacht als kleine Ermunterung und Küchenhilfe für die ansonsten so lustfeindliche Coronazeit. „Wir wollten etwas Sinnvolles tun in der Zeit der Pandemie“, sagt Takahashi am Telefon, „und es musste nicht unbedingt etwas mit Synthesizern zu tun haben … so kamen wir schließlich auf das Kochbuch.“

Sie kontaktierten Künstler und Entwickler aus ihrem Umfeld – und bekamen umgehend Rezepte zurück. „Die Leute, die mitgemacht haben, waren so cool und nett, wir sind ihnen echt dankbar, dass das alles so gut lief“, sagt er. Sie hätten der Music Community etwas Positives für die schwierige Zeit geben wollen, „deshalb wollten wir auch nichts mit ‚Corona‘, ‚Quarantäne‘ oder ‚Lockdown‘ im Buchtitel“. Verfasst ist das Kochbuch auf Englisch, aber auch jenen zu empfehlen, deren Englischkenntnisse nicht perfekt sind.

Die 30 Rezepte, die sie zusammengetragen haben, sorgen – und das ist vielleicht das Beste – nicht nur für gutes Essen, sondern machen auch gute Laune. Mit der Berliner Musikerin Gudrun Gut kann man sich etwa einen „Widerstandskräftebrei“ mixen, der den Zutaten nach zu urteilen zunächst fast abartig gesund klingt: Leinsamen, Hirse, Sesamsamen, Sesamöl, Früchte und nur ein bisschen Quark.

Dieses Gemisch, das auf einer Bananen-Quark-Zitronensaft-Pampe basiert, eignet sich dann aber doch erstaunlich gut als Frühstück oder Zwischenmahlzeit, der Geschmack ist zitronig-frisch-fruchtig. Ideal für den Sommer.

Kulinarischer Minimalismus

Die Nerds an den Knöpfen und Reglern erweisen sich nicht selten auch als Nerds in der Küche. Der japanische Synthie-Erfinder Fumio Mieda bringt einem zum Beispiel seinen ganz persönlichen kulinarischen Minimalismus näher. Miedas Rezept kommt mit gerade mal drei Zutaten aus: „Make a hole in some rice served in a bowl. Break an egg and empty it into the hole. Pour a bit of soy sauce. yum yum!“ Ein gustatorischer Hochgenuss ist der nur unwesentlich optimierte Reishaufen nicht, aber als Wenn’s-schnell-gehen-muss-Mahlzeit und Arme-Leute-Essen taugt er allemal.

Fumio Mieda ist, nebenbei bemerkt, eine Legende unter Synthie-Lovern, er hat unter anderem den legendären Korg-MS-20 mitentwickelt, der als erschwinglicher Synthesizer Ende der Siebziger die Musikwelt revolutionierte.

Korg Germany: „The Pyjama Cookbook. A guide to self-­feeding“. Download unter korg-germany.de

Minimalistisch ist auch das Rezept des tschechischen Instrumente-Entwicklers und Produzenten Václav Peloušek, der unter dem Namen Toyota Vangelis Musik macht. Aber seine ölgebadeten Gnocchi haben es in sich. Man verrührt dabei einfach gekochte und abgegossene Gnocchi mit gedünsteten Zwiebeln und Knoblauchzehen sowie in Öl eingelegten getrockneten Tomaten.

Dies alles lässt man zusammen etwas brutzeln und gibt am Ende geröstete Sonnenblumenkerne, Käse und etwas Basilikum dazu. Die Gnocchi saugen dabei das Öl ganz gut auf, die Mischung aus Zwiebeln und Tomaten sorgt für eine clevere fruchtige Note. Und, apropos fruchtig, wer nach dem Essen gern einen Kaffee trinkt, dem sei unbedingt der „Orange-Infused Cold Brew Coffee“ von Fotografin Carys Huws nahegelegt, eine gelungene Abwechslung zu den handelsüblichen Eiskaffeesorten.

Musiktipps zur Mahlzeit gibt’s natürlich ebenfalls, und auch hier stimmt die Mischung: Mal wird Populäres à la The Smiths und Cocteau Twins anempfohlen, dann Underground-Acts wie der US-House-Produzent Huerta.

Unbedingt dazu gehören auch die alkoholischen Drinktips, und hier sollte man vielleicht dem Rat des belgischen Musikers Roman Hiele folgen. Er empfiehlt, das Bier Oude ­Geuze Boon mit einem Schuss Genever zu versehen, das Licht auszumachen, laut „Das Boot“ von U96 aus den Boxen dröhnen zu lassen und das Gebräu in sich hineinzuschütten. Danach geht es einem bestimmt gut!

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