Revolution in Kirgisen: Bakijew flieht nach Kasachstan
Gegendemonstranten verhindern in Osch eine Kundgebung des gestürzten Präsidenten. Die Provisorische Regierung hält an der Anklage gegen Bakijews Bruder fest.
Der gestürzte Präsident Kurmanbek Bakijew ist am Donnerstag und damit eine Woche nach dem Volksaufstand in das Nachbarland Kasachstan ausgeflogen worden. Das meldeten kirgisische Medien am Donnerstag in Bischkek. Stunden zuvor hatten mehr als 5.000 Gegendemonstranten in Osch verhindert, dass der gestürzte kirgisische Präsident umringt von 20 bewaffneten Bodyguards in der größten Stadt Südkirgisiens eine Kundgebung abhalten konnte. Seine Leibwächter schossen in die Luft, und Bakijew zog sich in das Heimatdorf unweit des Stadtzentrums von Dschalalabad zurück.
Am 7. April hatten mehrere tausend Anhänger der Opposition den Präsidentensitz in Bischkek gestürmt. Sicherheitskräfte schossen in die Menge. Dabei wurden über 80 Menschen getötet. Bakijew flüchtete in seine Heimatprovinz Dschalalabad im Süden des Landes. Seither regiert eine provisorische Regierung in der kirgisischen Hauptstadt und fordert von dem Präsidenten ultimativ die Amtsaufgabe.
Anfangs hoffte Bakijew von der einstigen Machtbasis im Süden aus, seine Präsidentschaft verteidigen zu können. Seit Dienstag bietet er seinen Rücktritt an und verlangt dafür freies Geleit für sich und seine Familie. Seinen Bruder Schanisch wollen die neuen Machthaber vor Gericht stellen, da er den Schießbefehl in Bischkek gegeben haben soll. "Unsere möglichen Sicherheitsgarantien beschränken sich auf den Präsidenten, dessen Frau und minderjährige Kinder. Sein Bruder Schanisch muss zur Verantwortung gezogen werden", sagte der Stabschef der provisorischen Regierung, Edil Baisalow, der taz. Der Bruder weicht dem Präsidenten nicht von der Seite und fuhr mit Bakijew zu der missglückten Demonstration nach Osch.
Am Morgen waren die Bakijews in Jeeps, Bussen und Limousinen nach Osch aufgebrochen. Die Karawane passierte ungehindert die Checkpoints, die auf der Verbindungsstraße zwischen Dschalalabad und Osch von der provisorischen Regierung errichtet und mit Panzerwagen verstärkt wurden. Anfang der Woche plante Bakijew noch, die Hauptstadt in den Süden zu verlegen. Aber in Osch traf er nicht auf die erhoffte Unterstützung und musste sich zurückziehen.
Bereits am 14. April telefonierte der geflohene Präsident nach Agenturberichten mit dem russischen Premier Wladimir Putin. Beobachter hatten deshalb mit einem baldigen Exil Bakijews gerechnet.
In Bischkek trauern die Menschen um die Toten der Revolte. An dem Gitter des erstürmten Präsidentenpalasts hängen Fotos der Erschossenen, und die Menschen legen Blumen nieder. In einem Vorort Bischkeks trauert eine Familie um den getöteten 19-jährigen Adil Ensebai ulu Adil. Der Student der islamischen Universität starb durch einen Kopfschuss vor dem Präsidentenpalast. Erst nach einer dreitägigen Suche fanden ihn Mitglieder seiner Familie in einem der Leichenschauhäuser der Stadt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet