Revolte im britischen Parlament: Camerons EU-Krise

Abweichler der Tory-Rechten bei der Abstimmung über ein Referendum zur EU-Mitgliedschaft bringen David Cameron in Bedrängnis. Zugeben mag man das nicht.

Während der Abstimmung protestierten vor dem Unterhaus die EU-Gegner. Bild: dpa

DUBLIN taz | Großbritannien bleibt vorerst in der EU. Ein Antrag auf ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft wurde am Montagabend vom Unterhaus mit 483 zu 111 Stimmen abgelehnt. Die Ablehnung stand von vornherein fest, denn die meisten Abgeordneten von Labour und den Liberalen waren dagegen. Spannend war die Frage, wie viele Abgeordnete der Konservativen von Premierminister David Cameron gegen den Franktionszwang verstoßen und für den Antrag stimmen würden.

Am Ende waren es 81, und 15 weitere enthielten sich der Stimme. Das heißt, dass sich nicht mal die Hälfte der Tory-Hinterbänkler an den Fraktionszwang gehalten hat. Zu den Abweichlern gehören zwei Kabinettssekretäre, die gefeuert wurden. Es war die größte Revolte bei einer britischen Parlamentsabstimmung zu Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Bildungsminister Michael Gove wollte das Debakel am Dienstag herunterspielen. Die Meinungsverschiedenheiten seien aufgebauscht worden, sagte er. Man sei sich einig darin, dass ein Teil der Macht von Brüssel nach London zurückgeholt werden müsse.

Die Tory-Rechte denkt dabei vor allem an Arbeitsschutzmaßnahmen wie Arbeitszeitregelungen, Mindesturlaub und Mutterschutz sowie an die EU-Menschenrechtscharta; aus ihrer Sicht tut Cameron aus Rücksicht auf seinen liberaldemokratischen Koalitionspartner zu wenig, um diesen Teil seines Wahlprogramms umzusetzen.

Aus Prinzip dagegen

"Die Rebellen sind keine unzufriedenen Tories, sondern Abgeordnete, die aus Prinzip für den Antrag gestimmt haben", sagte Gove.

Cameron argumentierte, der Zeitpunkt für ein Referendum sei angesichts der Finanzkrise falsch gewählt. Der Abgeordnete Charles Walker antwortete kurz und knapp: "Wenn nicht jetzt, wann dann?"

David Davis, der bei der Wahl des Tory-Chefs 2005 gegen Cameron verloren hatte und der jetzt der prominenteste Vertreter des rechten Flügels bei den Tories ist, sagte: "Das ist der Zeitpunkt, an dem Nicolas Sarkozy und Angela Merkel die EU noch mehr zentralisieren wollen und eine Steuerunion anstreben. Das ist also absolut der Zeitpunkt, an dem wir über die EU nachdenken sollten."

Vetotrecht angedroht

Cameron versprach, er werde von seinem Vetorecht Gebrauch machen, falls die Länder der Eurozone die Steuern vereinheitlichen wollen.

Sein Dilemma hatte sich Cameron selbst eingebrockt. Dass der Antrag auf ein Referendum überhaupt ins Parlament kam, liegt an einer Gesetzesnovelle für mehr direkte Demokratie, laut der seit Juli die Parlamentarier gezwungen sind, sich mit einem Thema zu befassen, wenn 100.000 Bürger das per Online-Unterschrift im Internet gefordert haben.

Genau das taten sie, und deshalb war die Abstimmung notwendig, auch wenn ein erfolgreiches Votum nicht bindend gewesen wäre.

Laut Umfragen wollen 70 Prozent der Briten ein Referendum über Großbritanniens Mitgliedschaft in der EU. Käme es dazu, stünde der britischen Regierung eine Zerreißprobe bevor.

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