Revitalisierung eines Stadtteils?: Moorburg bietet sich an
Moorburger machen auf das Dorf am Hafenrand aufmerksam und laden zu einer Infoveranstaltung zur Flüchtlingssituation ein.
Es sind zwei verschiedene Stellen, von denen fast zeitgleich Nachrichten über Moorburg an die Öffentlichkeit dringen: Da ist Rainer Böhrnsen, der seit 1983 in Moorburg lebt und in verschiedenen Bürgerinitiativen mitgewirkt hat. Er hat sich dem Kampf gegen die „Agonie“ verschrieben, die über Moorburg liege, weil es seit 1982 zum Hafenerweiterungsgebiet gehört. Böhrnsen will es nicht tatenlos hinnehmen, wenn in Moorburg Häuser leer stehen und dann irgendwann abgerissen werden.
Aktuell beschäftigt ihn die Frage, was mit einem Hof am Moorburger Elbdeich 275 geschehen wird, der bis zum Ende des Jahres geräumt werden wird. Angesichts des engen Wohnungsmarkts und der prekären Flüchtlingsunterbringung fordert er, Wohnraum im Stadtteil zu schaffen.
Die zweite Nachricht aus Moorburg ist eine Einladung zu einer Informationsveranstaltung über die aktuelle Flüchtlingssituation, ausgesprochen vom Sozialdezernenten des Bezirks Harburg, Holger Stuhlmann, und der Pastorin der Moorburger Kirche, Daniela Stieglitz.
Auf der Veranstaltung heute Abend im Moorburger Gemeindehaus will die Flüchtlingsinitiative Moorburg (FIM) ihre Projekte vorstellen, um dabei mit den Moorburgerinnen und Moorburgern „ins Gespräch zu kommen“, wie Stephanie Großhardt von FIM sagt. Wie ihre Mitstreiterin Claudia Kulenkampff hofft sie, dass viele Moorburger kommen und sich für die Projekte der Flüchtlingsinitiative interessieren. Dazu gehören Gartenarbeiten oder Siebdruckangebote in der Flüchtlingsunterkunft im benachbarten Bostelbek – maßgeblich unterstützt von der dort eigens gegründeten gemeinnützigen GmbH „Open Arms“, die beim heutigen Abend auch anwesend sein wird.
90 Prozent der Häuser in Moorburg gehören der Saga, die seit dem 1. Juli 2015 Besitzerin der 161 Häuser ist.
Über die Hälfte der im Juli für 105 Millionen Euro verkauften 340 städtischen Grundstücke mit Wohnbebauung liegt in Moorburg.
Zur Informationsveranstaltung gibt es Musik von dem Moorburger Musiker-Duo Wiemann & Wendt.
Deren Vertreterin, Birgit Rajski, betont ebenso nachhaltig wie die beiden Damen von der FIM, dass mit dieser Veranstaltung „keine Unterbringung von Flüchtlingen in Moorburg“ angekündigt werden solle. Vielmehr solle in inoffizieller Atmosphäre mit Musik darüber gesprochen werden, was für Flüchtlinge getan werden könnte.
Wenn dabei herauskäme, dass Flüchtlinge auch in Moorburg untergebracht werden könnten, hätten sie nichts dagegen. „Warum soll Moorburg verschont werden, wenn hier so viel Freiraum ist?“, fragt Großhardt. Wie auch Böhrnsen mit seiner Sorge um den Hof darauf hinweist, wie viel Möglichkeiten in Moorburg vorhanden sind.
Was mit dem Hof konkret geplant ist, scheint noch offen. Auf eine im Juli gestellte Anfrage der Harburger Grünen-Fraktion antwortete die derzeit noch zuständige Finanzbehörde, dass weder die Unterbringung von Flüchtlingen vorgesehen sei noch Baumaßnahmen geplant seien. Offen bleibt auch die Frage, was mit dem denkmalgeschützten und seit zwei Jahren leer stehenden Wohngebäude im Nehusweg 1 vorgesehen ist.
So wie sich vielen Moorburgern auch nicht erschließt, welche Folgen es für sie hat, dass die Saga seit dem 1. Juli nicht mehr nur die Verwalterin der Gebäude ist, sondern Besitzerin mit 75-jährigem Erbbaurecht – vielleicht ein Zeichen der Hoffnung, dass bis dahin das Dorf nicht dem Hafen weichen muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Israelis wandern nach Italien aus
Das Tal, wo Frieden wohnt