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■ Mit Känguruhs auf du und duReuloser Fleischgenuß

Sydney (AFP/taz) – Wegen des Rinderwahnsinns in Europa geht es in Australien den Känguruhs an den Kragen. Während bisher nur Feinschmeckerlokale in Europa das Fleisch des Beuteltiers auf den Tisch brachten, stürzen sich in diesen Tagen auch Supermarktketten auf die Spezialität. „Es scheint, als würden die Leute sagen: Rindfleisch esse ich nicht mehr – was gibt's denn da noch?“ sagt Mike Mulligan, Generaldirektor des größten Känguruhfleischproduzenten, der Southern Game Meat.

In den vergangenen Tagen erhielt die Southern Game Meat Anfragen aus der Schweiz, aus Deutschland, Frankreich, Belgien und sogar aus Finnland. Die fröhliche Botschaft des Southern-Game- Meat-Managers an die europäischen Kunden: „Ja, wir können liefern, egal welche Menge Ihr braucht.“

Von den vier Millionen Känguruhs, die die australischen Behörden jährlich zum Abschuß freigeben, wird bislang nicht einmal die Hälfte für den menschlichen Verzehr genutzt. Die Jahreslieferung nach Europa betrug zuletzt nur zwischen 1.000 und 1.500 Tonnen, das entspricht einer Zahl von 100.000 bis 150.000 Känguruhs.

Australiens Fleischindustrie rüstet sich für den Nachfragesturm. Erst seit drei Jahren ist der Verzehr des Beuteltiers erlaubt. „Wir wissen noch nicht, was angefordert werden wird“, sagt Mulligan, „aber wir verfügen noch über freie Kapazitäten. Wir wünschen uns so viele Aufträge, daß wir voll ausgelastet sind.“

Auch der britische Fleischhändler John Bengue, der für die Exportfirma Freedom arbeitet, spricht von „einer Flut von Bestellungen“ für Känguruhfleisch. Seitdem die britische Regierung am 20. März erstmals eingeräumt hat, möglicherweise bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen der Rinderseuche BSE und der beim Menschen auftretenden Creutzfeldt- Jakob-Krankheit, stehen die Telefone der Fleischproduzenten in Australien nicht mehr still. Nicht nur Anfragen nach Känguruhfleisch werden dabei vorgebracht, auch Emu- und Straußenfleisch stehen hoch im Kurs.

Im Preisvergleich schneidet das Fleisch des australischen Wappentiers nicht besonders gut ab. In China und in anderen südostasiatischen Ländern, die Southern Game Meat bereits beliefert, kostet Känguruhfleisch ungefähr soviel wie bessere Rinderstücke. „Es ist kein billiges Fleisch“, sagt Mulligan, „weil die Jagd und der Transport aus den entlegenen Regionen ziemlich kostspielig sind.“ Er hält den Preis aber angesichts der Qualität für gerechtfertigt. Ärzte hätten bestätigt, daß Känguruhfleisch gesünder sei als andere Fleischsorten. „Es ist das magerste Fleisch der Welt, es kann Diabetes entgegenwirken, es hilft Menschen mit Herzbeschwerden. Ernährungswissenschaftler lieben es, weil es wenig Cholesterin und viel Eiweiß enthält.“

Um die Aborigines, welchen die Umstellung ihrer Ernährung auf Junk food nicht bekommen ist, von Übergewicht und Herzbeschwerden zu heilen, hat die westaustralische Gesundheitsbehörde 1994 ein Kochbuch mit fast vergessenen Aborigines- Rezepten herausgegeben. Nach dem Gesundheitsbuch kommt Fleisch, wenn überhaupt, dann nur vom Emu oder Känguruh auf den Tisch. kuz

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