: Retter in der Not für die „Grand Old Party“
Der Chirurg und Kongressabgeordnete Bill Frist ist neuer Mehrheitsführer der Republikaner im US-Senat
In einem ungewöhnlichen Prozedere wurde Bill Frist zum Mehrheitsführer der Republikaner im US-Senat bestimmt: Nach dem Rücktritt von Trent Lott, der durch rassistische Äußerungen die Partei in eine Krise gestürzt hatte, wählten die Senatoren, bereits im Weihnachtsurlaub, den 50-Jährigen während einer Telefon-Konferenzschaltung. Die Eile diente der Schadensbegrenzung. Niemand weiß, welche Auswirkungen die verbalen Entgleisungen Lotts samt Kontroverse auf die Politik und das Erscheinungsbild der „Grand Old Party“ haben.
Doch das Weiße Haus glaubt, dass Frist genau der Richtige ist, die aufgebrochenen Wunden zu heilen. Dr. Bill Frist, wie ihn Kollegen scherzhaft nennen, ist der erste Arzt, der seit Jahrzehnten in den Senat gewählt wurde. Doch es ist nicht seine gesundheitspolitische Expertise, die ihn zum „Retter in der Not“ prädestiniert, wie die New York Times schreibt. Er ist die Traumbesetzung des „mitfühlenden Konservativen“. Der zum Politiker gewandelte Chirurg – 1994 schaffte er den Einzug in den Kongress – verbringt seinen Urlaub gern im Operationszelt in afrikanischen Dörfern und leistet auf den Kapitolstufen Touristen mit Kreislaufproblemen erste Hilfe.
Frist verkörpert den aufgeklärten Konservativen und weltläufigen Südstaatler – was besonders wichtig ist, nachdem seine Partei durch die Lott-Affäre wieder in die Nähe des Ku-Klux-Klan gerückt wurde. Aufgewachsen in Nashville im Bundesstaat Tennessee, studierte er an der Princeton University und Harvard Medical School. Der Sohn des berühmten Arztes und Unternehmers Thomas Frist Jr., Gründer der Hospital Corporation of America (HCA), der größte US-Krankenhauskette, entschied sich früh, nicht in die Firma seines Vaters einzusteigen, sondern Spezialist für Organtransplantationen zu werden.
Die Distanz zum Familienunternehmen rettete seine politische Laufbahn. Seit Jahren ist es Vorwürfen ausgesetzt, Rezepte und Behandlungskosten gefälscht und Ärzte bestochen zu haben, Patienten an HCA zu überweisen. Jetzt willigte HCA ein, 630 Millionen Dollar für einen außergerichtlichen Vergleich zu zahlen. Dennoch porträtieren Ärzteverbände Frist als „einen Mehrheitsführer, der Millionen durch ein Familienunternehmen verdient hat, das systematisch betrogen hat“.
Das Bild des „barmherzigen Samariters“ bekam zudem erste Kratzer, nachdem Frists engen Kontakte zur Pharmaindustrie bekannt wurden, die seine Wahlkämpfe mitfinanziert hatte. Er revanchierte sich durch Gesetze, die Firmen vor Klagen schützen, sollten ihre Präparate ernste Nebenwirkungen hervorrufen. Auch seine Nähe zum Weißen Haus könnte ein Problem werden: Frist pflegt enge persönliche Beziehungen zu Präsident Bush. Dieser will in den kommenden zwei Jahren die Gesundheitspolitik reformieren und hofft in Frist auf einen loyalen Partner. Genau dies bereitet Senatoren Sorgen. Frist muss gegen das Bild ankämpfen, eine Marionette des Weißen Hauses zu sein. Man werde genau beobachten, ob er sich im Gesetzgebungsprozess unabhängig verhalte, meinte ein Senator. Sollte er diese Bewährungsprobe bestehen und die Krise der Republikaner meistern, könnte sich der ehrgeizige Mann für die Präsidentschaft 2008 empfehlen – ein Ziel mit dem Frist nach Aussagen von Vertrauten liebäugelt.
MICHAEL STRECK
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