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Rette die Umwelt, zieh in die GroßstadtDas Mini-Impact-Haus

Effektive Nutzung des Raumes: Auf einer Fläche von 29 Quadratmetern in Frankfurt Sachsenhausen steht ein Passivhaus mit 145 Quadratmetern Wohnfläche. Die Zukunft der großstädtischen Architektur?

Riesige Fenster, schmale Zimmer, verglaste Wände: Das Mini-Impact-Haus ist gewöhnungsbedürftig, aber umweltfreundlich. Bild: drexler guinand jauslin architects

Eine Badewanne steht mitten im Zimmer, direkt daneben ist die Toilette. Keine Wand, keine Tür, nicht mal ein Vorhang trennt das Bad vom Rest des Zimmers. Das „Mini-Impact-Haus“ im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen wirkt gewöhnungsbedürftig. Aber dafür ist es besonders umweltfreundlich. Durch riesige Fenster blickt man direkt auf die viel befahrene Walter-Kolb-Straße in Frankfurt. Die Zimmer sind sehr schmal, auf den Treppen sollte einem keiner entgegenkommen. Durch verglaste Wand- und Deckenteile kann man von einem Stockwerk ins nächste schauen. Dadurch wirken die kleinen Zimmer durchaus geräumig. Sogar eine kleine Dachterrasse mit Liegestühlen gibt es.

Hans Drexler sitzt am Schreibtisch in der ersten Etage des Mini-Impact-Hauses. Hinter ihm schließt eine unverputzte Hauswand das Zimmer ab. Sie gehört zum Haus nebenan. Drexler war Bauherr und Architekt des Hauses. Jetzt wohnt und arbeitet er darin. „Wir haben versucht die Fläche, die sich bei einem normalen Wohnhaus in die Breite verteilt, in die Vertikale zu ziehen“, sagt Drexler. Das Haus ist das Ergebnis eines Projekts, an dem er drei Jahre lang mit seinem Architektenbüro und Studenten der Darmstädter Hochschule gearbeitet hat. Das Ziel: Das Bauen, die Materialien, die Flächennutzung, der Standort – alles sollte so nachhaltig wie möglich sein.

Vor dem Bau wäre wahrscheinlich kaum aufgefallen, dass hier ein unbebautes Grundstück liegt. Die Baulücke war nur 29 m² groß und hatte die Form eines Tortenstücks. Auf diesem Tortenstück hat das Team um Hans Drexler Wohnraum von 145m² geschaffen, so viel Platz gibt es auch in einem durchschnittlichen Reihenhaus. Statt der großen Etagenwohnung ein Haus, das in die Höhe weist. Die Idee hat Potential. Nach offiziellen Schätzungen gibt es 650 vergleichbare Baulücken in der Frankfurter Innenstadt. „Man sollte diese Baulücken erschließen, bevor man die Landschaft außerhalb der Stadt weiter zersiedelt“, sagt Drexler.

Das Haus ist nach Passivhausstandards gebaut, es nutzt zu 100 Prozent erneuerbare Energien. Das ist soweit nichts Neues. Längst gibt es Modelle für Häuser, die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen. Neu hingegen ist die Bauweise: Das Material besteht aus nachwachsenden Rohstoffen. Hauptsächlich aus Holz. Drexler und die Studenten aus Darmstadt stellten fest, dass bei modernen Wohngebäuden 50 Prozent des gesamten Kohlendioxyds schon während der Produktion ausgestoßen werden, berechnet man die Lebenszeit des Hauses auf 50 Jahre. Durch die Nutzung nachwachsender Rohstoffe konnte dieser Anteil hier auf 30 Prozent gesenkt werden. Das ist außerhalb der Stadt natürlich auch möglich.

In die Lücke gequetscht: Das Mini-Impact-Haus in Frankfurt am Main. Bild: drexler guinand jauslin architects

Der Vorteil des Lebens in der Stadt: Büro, Supermarkt, Stammkneipe und Fitnessstudio alles befindet sich in nächster Nähe. Menschen, die außerhalb der Stadt wohnen, müssen meist Tag für Tag viel längere Strecken zurücklegen. Drexler hat auch dieses Phänomen mit den Darmstädter Studenten analysiert. Menschen aus Riedstadt, einem Vorort von Frankfurt, fahren im Schnitt fast 50 Prozent mehr als Menschen, die in der Innenstadt leben. „Außerdem ist das Mini-Impact-Haus auch ein Statement für das soziale Gefüge der Stadt.“, sagt Drexler. „Die kulturellen und sozialen Einrichtungen, die es hier gibt, sind etwas ganz Wichtiges.“

In der Studie verglich das Team um Hans Drexler auch die Kosten des Hauses mit einem normalen Bauprojekt in Riedstadt. „Die reinen Baukosten beim Mini-Impact-Haus sind auf jeden Fall höher“, sagt Drexler. Allerdings fallen die Betriebskosten durch die Passivbauweise viel geringer aus. „Rechnet man die Finanzierungskosten und die Betriebskosten zusammen, ist das Mini-Impact-Haus auf längere Sicht sogar günstiger.“ Und wie lebt es sich in dem Haus? „Die Wohnqualität ist ganz hervorragend“, sagt Drexler erwartungsgemäß. Aber selbst wenn die Wohnqualität in einem Haus, das in die Breite, statt in die Höhe gebaut ist, ein bisschen höher sein sollte: Das gute Gewissen das man im Mini-Impact-Haus haben kann, sollte das wieder ausgleichen.

Das Mini-Impact-Haus zeigt, dass der Energieverbrauch eines Hauses bei weitem nicht alles ist, auf das man beim Bau achten sollte. In Zukunft muss es darum gehen, die Produktion der Häuser genauso nachhaltig zu gestalten. Es mag eine romantische Vorstellung sein, ein kleines Haus auf dem Land zu bauen. Nur weil man mitten in der unberührten Natur wohnt, lebt aber noch lange nicht im Einklang mit ihr. Wir sollten den Raum, den wir in Beschlag genommen haben, so effektiv wie möglich nutzen. Es wird früh genug dazu kommen, dass er nicht mehr reicht.

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9 Kommentare

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  • N
    nico

    Der Trend in die Stadt ist längst da.

    Viele Dörfer emtleeren sich.

    Innerörtliche Wohnbebauungsmöglichkeiten gibt es

    in diesen Ortschaften genügend.

    Wir brauchen die Sardinenbüchse für Menschen nicht.

    Wer das will soll das machen.

    Eine besonders wünschenswerte Zielvorstellung ist das nicht.

    Nicht alles was nach Öko riecht ist gesellschafts-

    politisch notwendig oder erstrebenswert.

    Die Zukunft stelle ich mir mit mehr Wohnfläche pro

    Kopf vor nicht mit weniger.

    Der Urökopapst Erhard Eppler hat immmer im Einfamilienhaus mit goßem Garten gelebt, das ist

    auch gut so und artgerecht.

  • G
    Gloria

    Die Idee finde ich fantastisch! In die Höhe zu bauen ist in der Stadt sehr wertvoll, wenn es gut umgesetzt ist. Wenn man nicht im Wohnzimmer furzen möchte, kann man sich ja auch noch eine Rigipswand einziehen. Große Fenster sind doch optimal! Viel Höhe = viel Licht in der schmalen Bude. Ellen: nochmal genau nachlesen ... es sind 145 bewohnbare qm.

     

    Meine Bedenken dabei:

     

    1. Barrierefreiheit. Siehe Joachim.

    2. Der Preis. Ein Haus wie das hier beschriebene ist auf eine Miet-/Wohnpartei ausgelegt ... Das mag sich vielleicht der jüngst erfolgreiche Architekt leisten können.

    3. Brandschutz. Ein Haus aus Holz? Oh lala.

     

    Also, das Konzept ist wie gesagt brilliant, aber in der Form riecht es unheimlich nach Prenzlauer Berg. Ich würde da gerne mal "von unten" rangehen und schauen, wie man denn günstigen Wohnraum so gestalten könnte. Dann würde es nämlich auch in Zukunft wesentlich mehr solcher Häuser geben :)

  • BD
    Bob der Baumeister

    Gäbe es doch nur mehr Menschen welche sich Gedanken machen und für ihr Bedürfnisse durchdachte Lösungen entwickeln! Die Kommentare zeigen leider vorwiegend, dass es kritisieren und bemängeln weit leichter fällt als solche Ideen in eigene Konzepte zu integrieren.

     

    Ich finde diese Lösung super! Wo andere sagen "das geht doch nicht" (29m2 Baufenster!!), findet ein anderer eine Lösung, thats it und nicht ob mir jemand beim kacken zuschaut...

  • AW
    Allan Wegan

    Die Idee mit dem nachhaltigen Bauen ist gut (und alt).

     

    Die Umsetzung der optimalen Flächennutzung ist in erster Linie unpraktisch. Statt eine einzelne Wohnung in die Höhe zu bauen, kann man doch auch einfach mehrere Wohnungen übereinander bauen. Klassische Hochhäuser sollte eigendlich jeder kennen.

    Der ergraute Alte wird es auch leichter haben, wenn er den Fahrstuhl nur zum Betreten und Verlassen seiner Wohnung braucht, anstatt für jeden Zimmerwechsel...

     

    Apropos Zimmerwechsel: Der Single braucht selbst tatsächlich keine Räume, sondern eigendlich nur einen Raum. Er könnte alleine sicher mit Bad, Küche und Wohnen/Schlafen in einem Raum gut leben.

    Wenn da nicht der soziale Aspekt wäre. Auch Singles laden mal wen nach Hause ein (manche behaupten, dass sie sogar viel mehr Leute zu sich einladen, als andere Personengruppen).

    Für wen wäre es wirklich überraschend, wenn sich Besucher nicht gerne beim Klogang im selben Raum wie der Gastgeber befänden. Das müssen nicht mal nur Kumpels oder Partygäste sein. Selbst Leute, die miteinander Sex haben, gehen oft gerne alleine aufs Klo.

    Die Küche, das Schlafzimmer und das Wohnzimmer zu vereinigen - ja sogar die Dusche oder Badewanne mit zu integrieren - ist dagegen kein Problem. - Bei einem Single.

     

    Die meisten Menschen brauchen Rückzugsräume. Spätestens Kinder brauchen eigene Zimmer, wenn sie sich nicht ständig von den Eltern und umgekehrt diese von ihnen beobachtet und genervt fühlen sollen.

     

    Die großen Fenster in den Wänden sind dagegen überhaupt kein Problem: Gardinen gibt es schon länger.

    Die Fenster im Boden wären bei einem Mehrfamilienhaus natürlich ein No-Go. Sowas kann man sich nur bei Architekturstudien leisten, deren praktischer Wert nicht im Vordergrund steht.

     

    Es braucht weniger revolutionäre neue Wohnkonzepte, als eine konsequentere Nutzung bereits bekannter "Patterns". Hochhäuser sind nichts neues. Neu wäre, wenn diese so umgesetzt würden, dass man nicht jeden Pfurz des Nachbarn hört, die Wohneinheiten leicht belüftbar sind und das Gebäude selbst eine positive Energiebilanz hätte.

    Machen wir uns nichts vor: Umweltschutz nur für Einfamilienhausbesitzer kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

    Es ist schön, dass man sich mit genug Geld Positivenergiehäuser und E-Autos leisten und damit das eigene Gewissen beruhigen kann. Aber das Einfamilienhaus, egal ob in der Stadt oder im Grünen, verblasst gegenüber der Wohnrealität der Massen. Die leben nämlich immer noch in Türmen. Man sollte sich also eher darauf konzentrieren, diese Türme menschenwürdiger und umweltverträglicher zu gestalten. Bei der Raumausnutzung sind die Türme jedenfalls auch jetzt schon spitze...

  • E
    Ellen

    Ich finde die Idee und auch die Umsetzung irgendwie sehr sympathisch.

    Was ich allerdings weniger sympathisch finde ist sicherlich der Preis solch einer Wohnung. Ist ja immer schön und gut das nachhaltig und bedacht gebaut wird, aber wer kann sich das leisten?

    Auf 29 qm wohnt sicherlich keine kleine Familie, sowas wäre wunderbar für Singles, Studenten usw. Diese allerdings haben kein Geld und werden in verwarzte, umweltunfreunliche und sanierungsbedürftige Wohnungen gesteckt (..wenn sie überhaupt wie in Hamburg eine Wohnung bekommen).

  • G
    Greg

    Man kann manchmal nicht alles in ein Haus packen, was es so gibt auf der Welt. Es ist eben eins von vielen Angeboten in einer Stadt. Falls der Besitzer nämlich einen Rasenmäher hat, muss er sich auch entscheiden, ob er auf die grüne Wiese zieht oder "ohne" Privatsphäre urban leben will... Usw.

  • S
    Stefan

    okay, man muss es wohl mögen.

    ich habe mich auch schon immer gefragt, was daran umweltfreundlich ist, wenn man den ganzen tag in der stadt arbeitet, die blagen hin und her fährt und auf dem land seine schlafstätte hat.

  • H
    Helmut

    Ein Bad ohne räumliche Abtrennung vom Wohnzimmer? Wenn ich also meinen Geburtstag feiere, gucken mir 20 Leute beim Stuhlgang zu?

    Super Idee! Und so umweltfreundlich.

  • J
    Joachim

    Das Problem dürfte allerdings die Barrierefreiheit sein. Von so einem Haus sollte sein Besitzer so lange wie möglich etwas haben.

    Dies geht nur, wenn auch an Barierrefreiheit gedacht, falls der Besitzer so alt wird, dass er nicht mehr gut Treppensteigen kann.

    Das müsste hier noch berücksichtigt werden.

    Außerdem sollte an Privatsspäre gedacht werden. Nicht jeder mag große Fenster oder ein Bad ohne Abtrennung zu den anderen Räumen.