Respektpreis gegen Homophobie: Gott hat noch keinen
Bürgerrechtler wollten einen Kardinal für seine Homofreundlichkeit auszeichnen. Der unwillige Toleranzbotschafter lehnt den Preis ab.
BERLIN taz | Eigentlich pure Routine: Da kreiert ein sogenanntes „Bündnis gegen Homophobie“ einen sogenannten Respektpreis, den es dieses Jahr einem Menschen zuerkennen möchte. Die Kandidierenden sind öffentlich bis Ende November ausgelobt – dann wählt nämlich das „Bündnis“ aus.
Nominiert ist ein Quartett, zu dem auch der Berliner Kardinal des römischen Klerus, Rainer Maria Woelki, zählt. Der jedoch brach mit dem Üblichen und lehnte auf jeden Fall diesen „Preis“ ab, weil er kein „Toleranzbotschafter“ dieser politischen Allianz sein will.
Ist dieser Kleriker nun unhöflich, taktlos oder was? Auffällig ist indes, dass neben Woelki der offen schwule Katholikenkritiker (ist das schon verdienstvoll?) David Berger, die Juristin Seyran Ates (was macht sie eigentlich aktuell?) und die TV-Komikerin Gabi Decker (gesundheitlich versehrt zu sein, reicht das etwa?) zur Wahl stehen.
Unabhängig von Woelkis brüskem Verzicht auf die mögliche Ehrung fragen viele in der Berliner Homoszene: Warum Woelki?, Ist er nicht ebenso antihomosexuell wie aller Klerus römischer Provenienz?
Preise? Anrüchig!
Überhaupt: Was aber soll der Preis überhaupt? Dachte man ernsthaft, einer wie Woelki ließe sich vor einen Verbandskarren spannen? Man weiß es nicht. Gewusst werden kann aber: Viele kleine Bürgerrechtsverbände schwören als Marketinginstrument auf den Faktor „Preis“. Dann kann man Prominente einladen – und sich selbst ein wenig in deren Lichte sonnen.
Fast jede NGO macht das so, ob öko, sozial oder menschenrechtlich orientiert. Es kommt oft ein Deal auf Gegenseitigkeit dabei heraus: Eine wie Gabi Decker steht weiter im Scheinwerfer, das Homobündnis könnte mit Hilfe der Komikerin aus dem großen Schatten der Unbekanntheit heraustreten.
Im Übrigen geht das nicht nur NGOs so. Auch die Großen wissen, dass man mit Preisen für Prominente sich immer noch selbst am besten schmückt. Der Axel Springer Verlag mit der „Goldenen Kamera“ – wer gerade während der Berlinale an der Spree zur Promotion eines neuen Films nächtigt, kriegt sie. Oder Joachim Fuchsberger (85), der in Bälde den Burda-„Bambi“ für sein sogenanntes Lebenswerk erhält – hier ist wohl wichtig, dass man bei diesem Mann nicht zu spät kommen will.
Preise? Anrüchig! Alle kriegen einen und damit keiner. Obwohl – einer fehlt: Gott! Jahwe! Allah! Und das irritiert, weil: Nichts ist grad so hip wie Religion. Wer erbarmt sich seiner?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?