Re:publica in Berlin: Programmierer als Journalisten
Die Medienkonferenz diskutiert Open Government, Open Data und Datenjournalismus. Konsens ist: Der Journalismus muss sich dem Internet anpassen
Was am Ende für jede Form von Journalismus zählt, ist Glaubwürdigkeit. Abseits dessen aber stehen in der Branche eklatante Veränderungen an: Aus Journalisten sollen "Projektmanager" und "Architekten der Informationen" werden, meint Nicolas Kayser-Bril. Der ist Mitte zwanzig und kommt eigentlich aus der betriebswirtschaftlichen Ecke - und predigt auf der re:publica "Datenjournalismus".
Zum fünften Mal lockt die "Konferenz über Blogs, soziale Medien und die digitale Gesellschaft" in diesem Jahr eine Vielzahl von Bloggern, Programmierern, Webdesignern und sonstigen internetaffinen Menschen in den Berliner Friedrichstadtpalast. Sie wollen sich über Neuerungen in der Onlineszene informieren, Ideen austauschen und Kontroverses diskutieren. Schlagworte wie "datamining", "trend analysis" und "crowdsourcing" schwirren durch den prall gefüllten Raum und fesseln die Zuhörerschaft an ihre Stühle.
Eines der zentralen Themenfelder - Stichwort: "re:open" - beschäftigt sich mit den Fragestellungen und Problemen rund um die Bereiche Open Government, Open Data und Datenjournalismus. Wie soll Regierungshandeln transparenter gestaltet werden? Wie stattet man das Publikum mit mehr Möglichkeiten zur Partizipation aus? Wie erreicht man, dass Daten und Informationen frei zugänglich werden? Wie bereitet man die dabei entstehende gigantische Datenflut für die Öffentlichkeit am besten medial auf?
Anschaulichkeit erfordert visuelle Aufarbeitung
Die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung von Mobilfunkdaten ist ein Beispiel, das in alle drei der genannten Bereiche ragt. Vor Kurzem hat sich der Grünenpolitiker Malte Spitz seine gespeicherten Daten über einen Zeitraum von sechs Monaten von der Telekom eingeklagt, um für mehr Transparenz im Umgang mit personenbezogenen Informationen zu sorgen. Doch erst durch die visuelle Aufarbeitung des Datensatzes von Zeit Online wird die Bedeutung der erstrittenen Angaben ersichtlich. Auf einer Karte lässt sich aufgrund der Daten eine bewegte Grafik abspielen, die detailliert abbildet, wo sich Spitz sechs Monate lang aufgehalten hat, wohin er geflogen oder per Zug gefahren ist.
Datenjournalismus setzt Daten, die für sich alleine unnütz erscheinen, in einen grafischen Gesamtzusammenhang und formt die unzähligen Nullen und Einsen zu einem verständlichen Bild. In der angloamerikanischen Medienwelt ist man diesbezüglich, wie so oft, bereits einen Schritt weiter. Gregor Aisch, der kürzlich mit datenjournalistischen Mitteln aufgezeigt hat, wie viele Menschen in Deutschland in einem Umkreis bis 80 Kilometern von Atomkraftwerken leben, bringt die Sache auf den Punkt: "Datenrecherche erfordert Programmierer." Hier hängt der Hammer: Während die New York Times 30 Programmierer, Webdesigner und Redakteure in einer eigenen Abteilung für solche Grafiken beschäftige, seien es bei der Zeit gerade einmal vier.
Auch Kayser-Bril bestätigt, wie laienhaft man etwa bei Spiegel Online mit den WikiLeaks-Datensätzen umgegangen sei. Aber das Bewusstsein dafür, wie wichtig die professionelle Verarbeitung von Datenmengen für den Journalismus heute ist, nehme auch in Deutschland zu. Eine Zeitung gleiche in etwa einer Datenmenge von einem Megabyte. Tagtäglich produziere Facebook das 70-millionenfache davon. Egal wie exakt diese Daten sein mögen, die Quintessenz bleibt die gleiche: Der Journalismus muss sich den technischen Gegebenheiten des Internets anpassen. Denn wie der Betriebswirt und Datenjournalist Kayser-Bril beweist: "Programmierer können den Beruf des Journalisten übernehmen."
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