piwik no script img

Reps verzichteten auf „Marsch“

■ Nur 200 Anhänger kamen zur bundesweiten Kundgebung der Rechtsextremisten zum 17. Juni auf den Schloßplatz

Groß war sie angekündigt worden, die bundesweite Demonstration der rechtsextremen „Republikaner“ (Reps) auf dem Schloßplatz in Mitte. Am Ende aber kamen am Sonntag nachmittag nur rund 200 Anhänger, um ihrem Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer zu lauschen. Die Rollen waren, wie stets bei solchen Anlässen, streng verteilt. Hinter den Absperrgittern vor und auf dem Lustgarten pfiffen und buhten rund 900 Gegendemonstranten, während auf dem Schloßplatz die Rep-Anhänger ihre Deutschlandfahnen demonstrativ in die Luft hoben.

Während auf dem Lustgarten vor einer Übernahme der Berliner Mitte durch die Rechten gewarnt wurde, prahlten vor allem jüngere Zuhörer der Rep-Kundgebung mit ihren Taten. Eine Runde lobte den bundesweiten Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai in Marzahn. Eine „tolle Sache“ sei das gewesen, meinte ein Kahlgeschorener, aber leider seien von den 300 Teilnehmern nur 50 aus Berlin gewesen. Auch bundesweit bekannte Neonazis wie Christian Wendt waren gekommen. Nicht als Rep-Anhänger, sondern als Berichterstatter für die von ihm geleitete Berlin- Brandenburger Zeitung der „Nationalen“, wie er meinte. Wendt war erst unlängst wegen übler Nachrede gegen den Brandenburger Innenminister Alwin Ziel zu siebenmonatiger Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt worden.

Eifrig beobachtet wurden die Rep-Anhänger nicht nur von Zivilpolizisten, sondern auch von einigen Antifas, die sich mit Presseausweisen Zugang zur Demo verschafft hatten. Zur Schlägerei wäre es beinahe gekommen, als sich ein ehemaliger türkischer Angeklagter aus dem Kaindl-Prozeß (Kaindl war beim Überfall einer deutsch- türkischen Gruppe 1992 getötet worden) unter die Rep-Anhänger mischte. Die Polizei ging kurzerhand dazwischen, indem sie ihn für kurze Zeit in einen Mannschaftswagen verbrachte.

Am Ende der rund einstündigen Veranstaltung, mit der die Reps des Arbeiteraufstands vom 17. Juni 1953 in der DDR gedachten, wurde auf den „Marsch“ zum Reichstag verzichtet. Dabei hatte die Menge per Handzeichen dem Berliner Rep-Landesvorsitzenden Werner Müller signalisiert, daß man sehr wohl zum Brandenburger Tor zu gehen gedenke. Da packte Müller, der in seiner Rede voreilig versprochen hatte, „keinen Millimeter Boden“ vor dem „linken Gesocks“ zu weichen, dann aber doch die Angst. Schließlich blieb es dem um bürgerliche Seriosität bemühten Schlierer, der ja auch Fraktionsvorsitzender im baden-württembergischen Landtag ist, überlassen, zum Abmarsch zu blasen. Man wolle ja nicht „Verletzte“, womöglich „Tote“ in Berlin zurücklassen. „Schritt für Schritt“ wolle seine Partei vorangehen und nicht etwa durch Krawalle das Verbot einer künftigen Demonstration in Berlin provozieren. Die Polizisten atmeten auf – denn eine Stunde später begann das Länderspiel der deutschen EM-Auswahl gegen Rußland. Severin Weiland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen