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Repression in TogoLeichen in der Lagune nach unterdrückten Protesten

Die Familiendiktatur in einem der kleinsten Länder Westafrikas treibt erneut die Demokratiebewegung auf die Straße. Die Staatsmacht reagiert brutal.

Straße in Togos Hauptstadt Lomé am Donnerstag 26. Juni Foto: Alice Lawson/reuters

Berlin taz | Nach blutig unterdrückten Protesten in Togo sind erste Tote aufgetaucht – im Wortsinn. Sieben Leichen seien aus Wasserläufen und Lagunen der Hauptstadt Lomé gefischt worden, gaben Menschenrechtsgruppen am Sonntag bekannt. Es gebe „Dutzende“ Verletzte, über 60 Menschen befänden sich in Haft. Die Regierung sprach von „Desinformation“.

Von Donnerstag bis Samstag waren zahlreiche Menschen in Lomé gegen den Autokraten Faure Gnassingbé auf die Straße gegangen. Auf Fotos und Videos sind einerseits wütende Jugendliche und brennende Straßensperren zu sehen, andererseits Greif- und Schlägertrupps der Gendarmerie, die in Wohnstraßen Menschen aus Häusern verschleppen oder sie auf der Straße halbtot prügeln.

Togo ist das letzte Land in Westafrika, in dem die Familiendiktatur der 1960er Jahre bis heute hält. 1967 hatte sich der junge Offizier Gnassingbé ­Eyadema an die Macht geputscht und ein Terrorregime errichtet. Schon damals tauchten seine Opfer regelmäßig als Leichen in der Lagune Bè von Lomé auf.

Nach seinem Tod 2005 wurde sein Sohn Faure Gnassingbé Präsident. Bei seiner ersten, sehr umstrittenen Wahl gab es 154 Tote laut Regierung und 400 bis 500 Toten laut einer UN-Untersuchungskommission.

Kontroverse Verfassungsänderung

Im April 2024 beschloss Togos Parlament einstimmig eine kontroverse Verfassungsänderung, um die höchste Macht im Staate vom Staatspräsidenten auf einen neuen Ministerpräsidenten zu übertragen. Der Staatspräsident wird demnach vom Parlament gewählt, nicht mehr vom Volk; der Führer der größten Parlamentsfraktion wird automatisch Ministerpräsident.

Im Parlament hält Gnassingbés Regierungspartei Unir (Union für die Republik) fast alle Sitze. Auf dieser Grundlage wurde Gnassingbé am 3. Mai neuer Ministerpräsident Togos und bleibt damit auf unbegrenzte Zeit der mächtigste Mann im Staat, ohne sich jemals wieder einer Direktwahl stellen zu müssen; er bleibt auch Oberkommandierender der Streitkräfte. Zugleich wählten die Parlamentarier zum neuen Staatspräsidenten, ein nur noch zeremonielles Amt, den 86-jährigen früheren Oppositionspolitiker und politischen Häftling Jean-Lucien Savi de Tové.

Seitdem mobilisieren Togos Oppositionsbündnisse ANC (Nationale Allianz für den Wandel) und FDR (Demokratische Kräfte für die Republik) zu Protesten. Eine Massendemonstration am 4. Mai, einen Tag nach Gnassingbés Wahl, wurde zugelassen. Neue Demonstrationen am 6. Juni, Gnassingbés Geburtstag, wurden auseinandergetrieben oder im Keim erstickt. Daraufhin rief die Opposition zu den neuen Protesten ab 26. Juni auf.

Rappier landete in der Psychiatrie

Wie perfide Togos Staatsmacht dabei vorgeht, zeigt der Fall des Rappers Aamron. Der junge Musiker, der eigentlich Essowé Tchalla heißt, wurde am 26. Mai aus seinem Haus verschleppt, nachdem er zu den Protesten vom 6. Juni mit aufgerufen hatte. Er blieb verschollen, bis er sich am Vorabend des 6. Juni in einer bizarren Videobotschaft bei Gnassingbé entschuldigte und sagte, er befinde sich in psychiatrischer Behandlung.

Die Klinik außerhalb von Lomé, in der er eingesperrt war, entließ iAamron am 21. Juni. Vergangene Woche veröffentlichte er eine bedrückende Botschaft, in der er angab, er habe bewusst beschlossen, sich als „Märtyrer“ zu opfern, „damit zukünftige Generationen, meine Kinder, unsere Kinder, die Nachgeborenen den Mut haben können, aufzustehen und sich das Leben zutrauen, wo unsere Vorgänger sich beugten und hinnahmen, zum Überleben verdammt zu sein.“

Die Konfrontation zwischen Staatsmacht und Opposition dürfte weitergehen. An geplanten Regionalwahlen am 17. Juli will die Opposition teilnehmen.

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2 Kommentare

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  • Diese Proteste und die Regimegewalt steht im Kontext einer Welle von Repression in mehreren Regionen Afrikas. Zuletzt auch in Mosambik und Tanzania, in denen die frühere Staatsparteien immer noch viel Macht und Funktionäre haben. Neue Generationen wollen endlich mitbestimmen.



    Eigentlich stimmt es mich ja ganz froh, wieder etwas aus Togo zu lesen.

  • Togo, vor 10 Jahren mal dort Rad gefahren. Intensiv. Paradebeispiel für verfehlte Entwicklungspolitik.