Reporter-Plage in Amstetten nach Inzestfall: Paparazzi in Bäumen vor Psychiatrie
Amstetten wird seit dem Inzestfall von Reportern belagert. Einige versuchten, sich als Ärzte in das Krankenhaus einzuschleichen, um an Fotos zu kommen.
Die Bevölkerung Amstettens, derzeit Österreichs berühmtester Gemeinde, leidet zunehmend unter dem Druck der Medien. Nachdem der pensionierte Elektroingenieur Josef F. gestanden hat, seine Tochter 24 Jahre eingekerkert und mit ihr sieben Kinder gezeugt zu haben, gilt der Fall als weitgehend aufgeklärt. Nun machen Reporter Jagd auf die aus dem Verlies im Garten befreiten Opfer.
Lokalreporter Hannes Fehringer erzählt von Paparazzi, die das psychiatrische Krankenhaus Mauer-Amstetten belagern: "Das Gsindel hängt in den Bäumen." In der Landesheil- und Pflegeanstalt werden die Tochter, 42, fünf ihrer Kinder und ihre Mutter Rosemarie, 68, abgeschirmt.
Anstaltsleiter Primarius Berthold Kepplinger hat einen umfangreichen Sicherheitsapparat für das Gelände angefordert und richtete einen Appell an die Medien, "dass gerade diese Familie nach diesem Martyrium bzw. diesem Schock, diesem Trauma, ein Recht hat auf ihre Privatsphäre".
Ein Klinikangestellter klagte, er sei von einem belgischen Fernsehmitarbeiter ans Schienbein getreten worden. Eine Psychiaterin berichtete von Journalisten, die versucht hätten, sich als Ärzte einzuschleichen, um an Fotos der Familie zu kommen. Kein Wunder: Angeblich wird für ein exklusives Foto 1 Million Euro geboten.
Auch die Amstettner Bevölkerung, anfangs auskunftsfreudig, zeigt sich zunehmend belästigt. Reportern des Boulevardblattes Österreich ist es gelungen, eine Schwägerin von Josef Fritzl aufzutreiben, die ihn nie gemocht haben will. Berichtet wird auch von einer Frau, die in Fritzl den Mann erkannte, der sie vor über 40 Jahren vergewaltigte. Bei einer legalen Tochter des Beschuldigten, die unter dem Namen ihres Mannes in einer Nachbargemeinde wohnt, fanden Journalisten einen Hinweis auf der Hecke: "Reporter unerwünscht".
Österreich füllte in seiner Feiertagsausgabe acht Seiten mit Fotos, Fakten und Spekulationen zum Inzestdrama. Die auflagenstarke Kronen Zeitung vermochte mit nur vier Seiten nicht mitzuhalten. Vor allem Fotos, die Fritzl in Thailand in der Badehose zeigen, machen die Runde.
Aber auch Kinderfotos der 24 Jahre eingekerkerten Tochter Fritzls sind in allen Sensationsblättern zu finden. News zeigte ungepixelte Fotos der Kinder, die bisher von ihrer Herkunft nichts ahnten und in Amstetten in die Schule gingen. "So was ist sicher hilfreich für die weitere Karriere", knurrt Fehringer.
Es regiert der Scheckbuchjournalismus. In Amstetten werden schon für bloße Tipps bereits 150 Euro geboten. "Die Bevölkerung fühlt sich erniedrigt und wünscht sich, dass die Pressewagenburg bald abzieht", sagt Fehringer. "Fotografen werden bereits als Schmeißfliegen gesehen."
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