Report zu Atommüll: „Als wäre es Hausmüll“
Umweltschützer kritisieren die Regierungsbilanz über radioaktive Abfälle. Das entsprechende Verzeichnis des Umweltministeriums sei unzureichend.
GÖTTINGEN taz | Das Bundesumweltministerium hat am Montag sein „Verzeichnis radioaktiver Abfälle“ in der Endlager-Kommission des Bundestages vorgestellt. Dem Ministerium zufolge bietet das 84 Seiten umfassende Verzeichnis eine Grundlage für die zukünftige Planung von Endlagervorhaben und zeigt die verschiedenen Abfallströme auf.
Anti-Atom-Initiativen hatten schon vor gut einem Jahr eine Bestandsaufnahme radioaktiver Abfälle in Deutschland vorgelegt. Der sogenannte Sorgenbericht listet alle bekannten Orte im Bundesgebiet auf, an denen Kernbrennstoff produziert wird und radioaktive Abfälle entstehen oder lagern.
Jetzt zieht die Bundesregierung mit ihrem Bericht nach. Umweltschützer halten die Aufstellung für völlig unzureichend. Sie blende „ganze Partien von Atommüll“ aus, bemängelte etwa die atomkraftkritische Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad aus Salzgitter. „Das Verzeichnis hinterlässt den Eindruck, als handele es sich hier um die Erfassung von Hausmüll“, sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula Schönberger, verantwortliche Redakteurin des „Sorgenberichts“.
Die riesigen Uranaltlasten der Wismut in Sachsen und Thüringen würden gar nicht aufgelistet, die bisher überall als Leistungsreaktoren geführten Reaktoren in Jülich und Hamm-Uentrop „schleichend zu Forschungsreaktoren umdefiniert“.
Ausgeblendet bleibt im Ministeriumsbericht auch das Problem des freigemessenen Atommülls. Mit der Novellierung der Strahlenschutzverordnung 2001 war die Freigabe radioaktiver Abfälle unterhalb bestimmter Grenzwerte bundeseinheitlich geregelt und erheblich ausgeweitet worden. Seither werden Abfälle, die gering kontaminiert sind, „freigemessen“ und anschließend „freigegeben“. So landet leicht kontaminierter Schrott aus dem Abriss des Atomkraftwerks Stade auf Deponien in Sachsen.
Aus Sicht der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg bietet die Übersicht der Regierung „keinen Anreiz, über die vielen ungelösten Probleme der Atommülllagerung zu debattieren“. So werde unter anderem „mit keiner Zeile erwähnt“, dass in der Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau unbefristet weiter Atommüll anfalle. „Das ist keine Grundlage für eine umfassende Debatte des Atommülldesasters“, sagt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. „Das ist eine Liste, mehr nicht, und dann noch unvollständig.“
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