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■ Zum Hungerstreik im Kalibergwerk BischofferodeReparieren statt klagen

Klassisch möchte man den Konflikt gerne nennen, nicht zuletzt deswegen, weil er vor kurzem noch bereits der Vergangenheit anzugehören schien. Aber seit die Mauer fiel, kehren Gespenster wieder. Hungernde diesmal, die gewiß Mitleid verdienen. Helfen wird es ihnen nicht. Arbeiter setzen das äußerste Mittel ein, den Hungerstreik, um die Kalibergwerke Thüringens zu erhalten, ihren Arbeitsplatz und – nur so ist dieser verzweifelte Kampf richtig zu verstehen – ihr Lebenswerk.

Aber sie, die so oft betrogenen Proletarier, dürfen ihr Ziel diesmal auf keinen Fall erreichen: jahrzehntelang haben ihre Gruben das ökologische System belastet, ihre Produkte die Flüsse versalzen. Gut, daß diese Bergwerke geschlossen werden. Unversöhnlich stehen sich die Interessen der Ökologie und der Ökonomie gegenüber, schon lange nicht mehr schien Umweltschutz so unmittelbar zum Verlust von Arbeitsplätzen zu führen. Lösbar ist der Konflikt nur zur einen Seite hin. Auch der Kalibergbau im Westen muß beschränkt werden, mehr verträgt dieses Land einfach nicht. Wer den Arbeitern von Bischofferode nachgäbe, machte sich schuldig an Schäden, die weit über das Leid der heute Hungerstreikenden hinausgehen.

Ihr Arbeitsplatz ist verloren. Was ihnen bevorsteht, ist nun auch der Verzicht auf eine Lebenslüge, sogar mehrere vielleicht, die miteinander verknüpft sind: Es ist nicht wahr, daß der Westen die Kumpels von Bischofferode platt gemacht hat. Kein noch so sozialistischer Staat könnte sich auf Dauer leisten, eine moderne – in diesem Fall die westliche – Produktionsstätte zugunsten einer weniger rentablen zu schließen. Die dann fälligen Staatshilfen würde ein privater Unternehmer gerne kassieren, bezahlen müßten diejenigen, denen in der alten DDR angeblich alles gehörte: die Werktätigen, wie es damals hieß. Gar nichts hat ihnen wirklich gehört, nicht weniger, aber auch nicht mehr stellt sich nun heraus. Das ist kein Grund, sein Leben wegzuwerfen in einem aussichtslosen Kampf um die Vergangenheit.

Es gäbe so viel zu tun: Über manchen Kalistollen von Thüringen drohen zum Beispiel Gebäude, darunter auch Baudenkmäler, einzustürzen. Pragmatische Reparaturen sind fällig, keine melodramatischen Tragödien. Niklaus Hablützel

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