Rente ist Eigentum und so besonders geschützt

Welche Regeln das Verfassungsgericht für die Kürzung von Rentenansprüchen vorgibt und warum Klagen bisher dennoch erfolglos waren

FREIBURG taz ■ Immer wenn über Leistungskürzungen für Rentner diskutiert wird, drohen die Sozialverbände mit dem Verfassungsgericht. In der Bundespolitik muss man sich aber nicht viel Sorgen machen. Bisher hat Karlsruhe dem Gesetzgeber großen Spielraum bei der Rentenpolitik eingeräumt.

Auf den ersten Blick ist die rechtliche Position der Rentner und derer, die es werden wollen, gut. Denn die Rentenanwartschaften sind in Deutschland als Eigentum grundrechtlich geschützt. Das steht nicht im Grundgesetz, ist aber seit 1980 ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Damit wird berücksichtigt, dass die Alterssicherung heute in der Regel nicht durch privates Sachvermögen erfolgt, sondern durch den Arbeitslohn und die daran anknüpfenden Sozialbeiträge. Wenn der Staat aber, so der Schluss, die eigene Vorsorgekraft der Versicherten abschöpft, muss er auch die daraus entstehenden Ansprüche grundrechtlich schützen.

Das heißt nun aber nicht, dass der Gesetzgeber eine einmal eingeschlagene Rentenpolitik nie wieder verändern könnte. Entgegen weit verbreiteter Vorurteile ist das Grundrecht auf Eigentum im Grundgesetz nur relativ schwach geschützt. Sein Inhalt und seine Schranken können vom Gesetzgeber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit relativ frei definiert werden, vor allem wenn das Eigentum Sozialbezug hat.

Bei Rentenansprüchen sieht das Verfassungsgericht einen starken Sozialbezug, weil die laufenden Renten ja von den aktuellen Arbeitgebern und auch über Staatszuschüsse finanziert werden. Deshalb habe der Gesetzgeber eine „weite Gestaltungsfreiheit“. Ausdrücklich erklärte Karlsruhe schon 1981: Es ist „dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, Leistungen zu kürzen, den Umfang von Ansprüchen oder Anwartschaften zu vermindern oder diese umzugestalten“. Einige Nullrunden oder sogar moderate Kürzungen sind damit ohne weiteres möglich.

Eine Grenze gibt es aber natürlich auch hier. Der Gesetzgeber darf nicht nur auf das Ganze blicken, sondern muss auch die Rechte des Einzelnen im Blick haben. So wäre es nach weit verbreiteter Ansicht nicht zulässig, die Renten bis ans Existenzminimum abzusenken, denn dieses steht in Form der Grundsicherung jedermann zu. Wer aber sein Leben lang Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt hat, soll auch im Ruhestand etwas davon haben. Dieses „Äquivalenzprinzip“ garantiert, dass die Rente ihre Funktion als Lohnersatz nicht völlig verfehlt.

Um diese Mindestansprüche zu befriedigen, muss also notfalls der Beitrag zur Rentenversicherung und/oder das Rentenalter erhöht werden. Sind hier die Grenzen der Zumutbarkeit erreicht, muss der Staat als „Treuhänder der Rentenversicherung“ die fehlenden Summen zuschießen. Im Moment sind aber weder bei der Rentenhöhe noch beim Beitrag noch beim Rentenalter grundrechtliche Limits erreicht. Es geht hier lediglich um Fragen der Akzeptanz und der wirtschaftspolitischen Strategie.

Dementsprechend waren auch Klagen der Sozialverbände bisher wenig erfolgreich. Als Rot-Grün im Jahr 2000 die Rente nur um einen Inflationsausgleich von 0,6 Prozent erhöhte, hielten Verbände wie der VdK dies für verfassungswidrig, da die Rentner von der Einkommensentwicklung abgekoppelt würden. Im letzten Sommer wies das Bundessozialgericht dies jedoch zurück. Die „Gesamtäquivalenz“ sei noch nicht gefährdet. Das Bundesverfassungsgericht muss hierüber zwar noch entscheiden, mit Überraschungen ist aber kaum zu rechnen. Angesichts manch aktueller Pläne, war der Inflationsausgleich gar nicht so schlecht. CHRISTIAN RATH