Renate Künast über Bildungs-Volksentscheid: "Das ist keine schwarz-grüne Frage"
Das wichtigste Projekt von Schwarz-Grün in Hamburg steht nach dem Volksbegehren auf der Kippe. Renate Künast sieht die Grünen jetzt vor großen Aufgaben.
taz: Frau Künast, die Schulreform - Kernprojekt von Schwarz-Grün in Hamburg - könnte an einem Volksentscheid scheitern. Sind die Grünen eigentlich immer noch für Volksentscheide?
Renate Künast: Für Volksentscheide waren wir immer und werden es auch in Zukunft sein. In einer gefestigten Demokratie ist es richtig, wenn das Volk nicht nur wählt, sondern auch direkt entscheidet. Gerade bei der Bildung wissen wir ja: Am Ende haben alle das gleiche Ziel, die beste Bildung für mein Kind, eine bessere Schule für alle Kinder und längeres gemeinsames Lernen. Die Frage ist der Prozess dahin.
Ist das nur die gutbetuchte Klientel, die in Hamburg für die Privilegien ihrer Kinder kämpft?
Volksbegehren: 184.000 Hamburger haben gegen die Primarschule, an der sechs Jahre gemeinsam gelernt werden soll, unterschrieben. Jetzt soll ein Moderator Kompromisse finden. Fruchtet das nicht, gibt es im Sommer 2010 den Volksentscheid. Dieser wäre für den Senat bindend.
Durchhaltevermögen: Die grüne Hamburger Schulsenatorin Christa Goetsch hält an ihren Plänen fest. Am Donnerstag gab sie die geplanten Schulstandorte bekannt. Ab August 2010 soll es in Hamburg 164 Primärschulen, 61 Gymnasien und 51 neue Stadtteilschulen, in der Haupt-, Real- und Gesamtschulen zusammengefasst werden, geben.
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Renate Künast, 53, ist seit 2005 Fraktionschefin von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag. Zuvor war die Rechtsanwältin von 2001 bis 2005 Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Das ist eine sehr differenzierte Gruppe, alle mit den gleichen grundsätzlichen Ideen. Sie wollen das Beste für ihre Kinder, also auch eine bessere Schule. Sie machen sich jedoch Sorgen um den Prozess, der zu mehr Qualität führt. Diese Ängste muss man ernst nehmen, allein weil es in den vergangenen Jahrzehnten viele schlechte Erfahrungen gerade im Bildungsbereich gab.
Haben die Hamburger Grünen denn begriffen, wie groß die Sorgen der Eltern sind?
Es war absehbar, dass man großen Protest hervorruft, wenn man den Mut hat, die Dinge anzugehen. Die Bedenken werden ernst genommen, das sehen Sie am Mediationsprozess. Der Unternehmer Michael Otto soll zwischen protestierenden Eltern und Senat vermitteln. An der Anzahl der Gegner sieht man, dass die Sorgen noch größer waren als erwartet. Aber die Sorge bezieht sich auf den Weg, nicht auf das Ziel. Ein Grund mehr, jetzt intensiv miteinander zu reden.
Wie kommen die Grünen jetzt aus dem Schlamassel raus?
Wir sind in keinem Schlamassel, wir stehen in Hamburg vor einer sehr großen Aufgabe. Es kommt jetzt auf uns an. Wenn die Reform in Hamburg scheitert, wäre das ein Rückschlag für alle bundesweiten Versuche, das alte preußische Bildungssystem zeitgemäß zu reformieren. Die Debatte in Hamburg steht stellvertretend für die ganze Republik. Der Kernpunkt ist: Miteinander reden! Wir müssen erklären, dass es an keiner Stelle schlechter wird, dass wir ein gerechteres Bildungssystem wollen, in dem jedes Kind individuell gefördert wird. Behutsam, aber fest im Ziel.
Wenn die Schulreform platzt, scheitert dann auch Schwarz-Grün in Hamburg?
Das Ganze ist keine schwarz-grüne Frage. Es gibt ja gar keine Differenzen zwischen Schwarz und Grün. Außerdem wird es nicht scheitern. Hamburg wird den Weg einer gerechten Schulpolitik gehen. Das ist unsere Aufgabe.
Wenn Hamburg scheitert …
Warum reden Sie denn dauernd vom Scheitern?
… wird sich das bei der Bundestagswahl 2013 auswirken?
Ach, wissen Sie: Wer die Welt verändern und nicht nur reden will, der erreicht seine Ziele nie zu 150 Prozent und sofort. Das Thema Bildungsgerechtigkeit wird uns noch lange beschäftigen. Und wir bleiben die Partei, von der man weiß, dass sie beharrlich für eine bessere Bildung kämpft.
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