Remberti, die Nächste: „Der verarscht uns“
■ Anwohner treffen und ärgern sich
Der eigentliche Held des Abends war Heiko Wenke. Mit einem Gesicht wie Stein erklärte der Planungschef des Amts für Straßen und Verkehr einer aufmüpfigen Meute die Notwendigkeiten von Verkehrsströmen im 21. Jahrhundert. Es war Einwohnerversammlung in Sachen Rembertikreisel, Bausenatorin Christine Wischer (SPD) war da und der Saal im DGB-Haus am Bahnhof voll. Wenke hatte die undankbare Aufgabe, dem Volk von Fedelhören und der Eduard-Grunow-Straße, vom Dobben und der Sonnenstraße einmal mehr zu erklären, wie die Straßenzüge zum Rembertiring künftig verlaufen sollen und dass sie statt weniger wohl eher mehr Autos, Laster, Lärm und Dreck hinnehmen müssten. Einem Volk, das hier nicht gezwungen ist zu wohnen, wie Matthias Rotenhan von der Bürgerinitiative Rembertikreisel erklärte. Denn werde alles so wie jetzt geplant – der Kreisel wird zur Kurve, gesäumt von einem vier- bis sechsstöckigen Gebäudestreifen links und rechts –, dann „ist das einfach nicht schön“. De facto werde hier nur der Breitenweg mit seiner Mischung aus Pizzerien, Spielhöllen und Rotlicht verlängert. „Und dann“, sagte Matthias Rotenhan, senkte den Kopf und hob die Stimme, „dann ist die Wohnqualität so, dass viele von uns einfach abhauen. Zum Beispiel nach Niedersachsen.“ Da guckte Christine Wischer auf das Resopal vor ihr, Wenke war noch ein biss-chen mehr Stein, und der große Rest johlte.
Dann musste Wenke erklären, dass das meiste mitnichten Durchgangs-, sondern selbst gemachter Verkehr sei. Was soll man da machen? Wenke: „Ich fahre auch jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit.“ Das ging unter, Tenor: „Der verarscht uns.“
Worauf Wenke eine Pause machte, zu Boden sah, wieder aufguckte und fortfuhr: 40 Prozent allen Stadtverkehrs bewältige eine Entfernung von gerade mal fünf Kilometern – „das ist der Weg von hier“, Wenke deutet auf den Kreisel im an die Wand gebeamten Plan, „bis zur Autobahn“. Es folgen mehr Zahlen, wie viele Autos und wie relativ wenige Laster den Remberti-Straßenzug beführen. Das Publikum kontert, die Zahlen seien alt – Gerald Kirchner von der Bürgerinitiative „Keine Stadtautobahn“ warnt die „Frau Senatorin“ davor, den Zahlen des eigenen Ressorts zu glauben, seien in die Verkehrsprognosen doch Zahlen reingerechnet, die von steigenden Einwohnerzahlen ausgingen. Die Frau Senatorin besah das Resopal. Dann wieder Wenke. Die Aufweitung des Concordia-Tunnels von 3,80 auf 4,50 Meter Durchfahrhöhe sei – „und da können Sie jetzt denken, was Sie wollen“ – mitnichten geplant, um mehr und größeren Lastern die Durchfahrt zu ermöglichen, sondern weil das schlicht der geltenden Norm entspräche. Das Auditorium sagte erneut vulgäre Worte.
Und so ging es hin und her an diesem immerhin dreistündigen Abend. Es ging kaum darum, was anstelle des Kreisels städtebaulich möglich wäre. Kaum darum, wie die Schleifmühlenumfahrung zu beheben sei. Es zählte kaum, was Christine Wischer sagte: 20 Jahre Politikerfahrung hätten sie gelehrt, dass trotz Drucks die Menschen ihr Auto nicht stehen ließen.
Ein kurzer Lichtblick war der Auftritt des Architekten Hans-Heinrich Wendt, der für die Architektenkammer einen Gegenentwurf vorlegte: Das „Rembertiknie“ – Ampelkreuzung statt Kurve, die den Verkehr ins Sto-cken, aber die Quartiere in Verbindung bringen würde. Christine Wischer schließlich warb für einen „Entwicklungsbeirat“, der sich in Ruhe Gedanken machen solle. Da möchte die Bürgerinitiative gerne dabei sein und legte für den Fall weiterer Konfrontation am Schluss gleich ihre Kontonummer aus – man werde Ausgaben haben. sgi
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