: Relative Verweigerungsstrategien Von Klaudia Brunst
„Wer kümmert sich eigentlich am Dienstag um den Hund“, wollte meine Freundin am Sonntag morgen beim Frühstück wissen. „Och“, meinte ich, „nimm du ihn besser mit. Bei uns ist gerade ziemlich viel zu tun, und dann muß ich ja noch die Kolumne für Mittwoch schreiben.“ „Was“, kiekste meine Freundin entsetzt, „du arbeitest am Frauenstreiktag?!“ Das schlage dem Faß ja den Boden aus, fand sie, und daß sie nun ernstlich an meinem feministischen Bewußtsein zweifeln müsse.
Sie selbst beabsichtigte, an diesem Tag mit ihrem ErzieherInnen- Kollektiv vors Rote Rathaus zu ziehen, um für mehr Kita-Plätze zu demonstrieren. Dabei könne sie den Hund jedenfalls nicht gebrauchen, schließlich sei das eine gewichtige Angelegenheit. „Klar ist das für euch wichtig, es geht ja letztlich auch um eure Arbeitsplätze, ihr scheinheiligen Feministinnen“, schnaubte ich, noch etwas verschnupft wegen des immer noch im Raum stehenden Anti-Feminismus-Vorwurfs. „Da kann ich auch meine Kolumne schreiben, auf die warten die Menschen im Lande ja auch.“
Aber Streik bedeute ja gerade, daß man die Dinge, auf die die Menschen im Lande warteten, nicht produziere, klärte mich meine Freundin besserwisserisch auf. Statt dessen stelle man sich vor die Werkstore und demonstriere für eine bessere Welt. „Gut“, versuchte ich zu vermitteln, „dann setzte ich mich eben heute an die Maschine, so kann ich wenigstens am Dienstag auch den Hund mitnehmen.“
Ich hätte wissen müssen, daß meine Freundin so leicht nicht zu überlisten ist. Vorproduzieren sei nun erst recht Streikbrecherei, dozierte sie mit derart erhobener Stimme, daß sogar der Hund seinen Frühstücksschlaf unterbrach. Wir Frauen müßten den Männern unsere Arbeitskraft entziehen, alles andere sei konterrevolutionär. „So einfach ist das aber nicht“, versuchte ich meine Position zu behaupten: „Erstens hat selbst Frau Schwarzer den Sinn dieses Streiks neulich im Fernsehen zum symbolischen Akt erklärt“, konterte ich. „Und zweitens, leidet unter meiner Streikaktion wieder nur meine Kollegin, der dann ein Text auf der Seite fehlt.“
„Es gibt zwar eigentlich keine Alternative zu der absoluten Verweigerung“, lenkte meine Freundin angesichts dieses Dilemmas ein und schlug dann aber doch einen Kompromiß vor: in Göttinnens Namen solle ich das unaufhebbare Problem wenigstens in der Zeitung produktiv machen, empfahl sie und wandte sich dann demonstrativ dem Frühstücksabwasch zu.
Ich verbrachte den ganzen Sonntag damit, einen abwägenden Text über die verzwickte Doppelrolle einer feministischen Kulturredakteurin im Streik zu verfassen, als sich meine Freundin plötzlich vor mir aufbaute: „Ich glaube, du hast recht“, meinte sie erstaunlich versöhnlich, „ist doch alles ziemlich verlogen mit diesem Frauenstreik.“ Die ganze Angelegenheit habe eigentlich den unangenehmen Beigeschmack von Muttertag. Da mache man einmal im Jahr groß in Feminismus, dabei sei die Frauenfrage doch ein alltäglich zu bewältigender Kampf. „Ich glaube, ich werde den Streik boykottieren.“ Ihre Kollegin hatte sie angerufen, und für diesen Tag ein Picknick im Grünen vorgeschlagen. So war dann auch der Verbleib des Hundes geklärt.
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