Rekonvaleszenz-Forschung: Verluste in der Hirnrinde
Wenn ein Arm in Gips liegt, hat das Folgen fürs Gehirn. Neuropsychologen der Uni Zürich untersuchten Probanten mit einem gebrochenen Oberarm.
Berlin taz | Schon seit Längerem weiß man: Die für die Motorik der Hände zuständigen Areale in der Hirnrinde sind bei Pianisten besonders dick und legen bei fleißigem Klavierüben zu wie Muskeln. Die linke Hand wird von der rechten Hirnhälfte gesteuert und die rechte Hand von der linken.
Was geschieht aber im Hirn von Rechtshändern, wenn sie die dominante Hand zwei Wochen lang nicht mehr benutzen können? Dieser Frage ging ein Team vom Universitätsspital Zürich unter Leitung des Neuropsychologen Lutz Jäncke nach. Probanden waren zehn Rechtshänder mit gebrochenem rechten Oberarm, die über vierzehn Tage lang einen Gips oder eine Schlinge tragen mussten.
Alle alltäglichen Verrichtungen erledigten sie fortan nur noch mit der freien linken Hand. Zweimal nahmen die Wissenschaftler die Gehirne der Betroffenen mit einem Magnet-Resonanz-Tomografen auf: zuerst jeweils 48 Stunden nach der Verletzung und abschließend, nachdem der verletzte Arm 16 Tage lang ruhig gestellt gewesen war.
Areal der linken Hirnhälfte
Die gewonnenen Daten gaben Aufschluss über das Verhältnis von grauer und weißer Hirnsubstanz bei den Rekonvaleszenten, über die Dicke der Hirnrinde und die Feinmotorik der frei beweglichen linken Hand. Deren Leistungen verbesserten sich bei allen beträchtlich.
Je virtuoser die linke Hand agierte, desto mehr nahm die graue und weiße Hirnsubstanz in dem für sie verantwortlichen Motorareal zu, nämlich in der rechten Hirnhälfte. Gleichzeitig verringerten sich aber diese Substanzen in dem sonst die rechte Hand steuernden Areal der linken Hälfte.
Von Bedeutung sind diese Resultate auch für Schlaganfallpatienten mit einem zeitweise gelähmten Arm. Bei einem verbreiteten Therapieansatz bandagiert man ihnen nach einiger Zeit den gesunden Arm, damit sie den beschädigten intensiver trainieren. Diese Art von Therapie habe aber nicht nur positive Effekte, meint Nicki Langer, Autor der Zürcher Studie.
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