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Reiseführer gesteht mangelnde Ortskenntnis"Lonely Planet" in der Bredouille

"Kommen Reisejournalisten in die Hölle?" Die Frage stellt sich ein ehemaliger "Lonely Planet"-Autor. Er schriebt Reiseführer, ohne je vor Ort gewesen zu ein.

"Komisch... im Reisefüher war doch von verlassener Lagune die Rede?!" Bild: dpa

Morgens, halb zehn in Bangkok. Eine Busstation, Nähe Kao San Road. Reisende hocken, an ihre Rucksäcke gelehnt, in der südasiatischen Sonne. In der Hand: den gleichen bunten Wälzer "Lonely Planet". In wenigen Minuten werden sie gemeinsam zum gleichen Ziel aufbrechen - Individualreisen gehen eben auch im Rudel. Solche Szenen machten den "Lonely Planet" zum Running Gag. Sobald ein Ort beschrieben wurde, war er überhaupt nicht mehr "lonely" - aus mit der Einsamkeit.

Trotzdem stand der "Lonely Planet" mit seinen hilfreichen Übersichten zu Hotels, Verkehrsmitteln und zur Sicherheit für Glaubwürdigkeit und fehlte deshalb seit seiner Ersterscheinung vor 35 Jahren in keinem Reisegepäck. Er ist für den Notfall. Wenns gar nicht weiter geht, können Reisende ins Buch schauen.

Mit der Glaubwürdigkeit ist es nun vielleicht vorbei. Planet-Autor Thomas Kohnstamm sagt nicht nur, er habe einen Großteil seiner Reiseführer abgeschrieben. Er behauptet auch, wenn er nicht weiter wusste, will er die Angaben erfunden haben. Die Ausgabe über Kolumbien entstand am Schreibtisch in San Francisco. Die Informationen erhielt er von einer kolumbianischen Botschaftsangestellten. Kohnstamm sagte dem australischen Sunday Telegraph, er habe nicht genug Geld von dem Verlag bekommen, um seine Recherche zu finanzieren. In seinem Buch "Kommen Reisejournalisten in die Hölle?" schreibt er über Drogendeals und Sex als Mittel, um an Insiderinformationen zu kommen. Genau die Themen, vor denen der "Lonely Planet" so oft und eindringlich warnt.

Im Verlagshaus ist man derweil damit beschäftigt, das angekratzte Image zu retten. Kohnstamm habe zu der Kolumbien-Ausgabe nur kulturelle Themen recherchiert, steht auf der Internetseite des Unternehmens. Autorenteams seien schon unterwegs in die Länder, über die Kohnstamm sonst noch geschrieben habe: Chile, die Karibik, Venezuela. Von der Brasilien-Ausgabe sei schon lange eine neue Ausgabe auf dem Markt - von einem anderen Autor verfasst.

Wer Gefallen findet an ausgedachten Reisegeschichten, kann übrigens einfach gleich zu fiktionalen Formaten wechseln. Die Fantasiereiseführer über nicht existente Länder wie "Molwanien - das Land des schadhaften Lächelns" zum Beispiel. Vielleicht findet Thomas Kohnstamm ja dort bald einen Job. Genügend Fantasie hat er offensichtlich.

ALEXANDRA EUL

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1 Kommentar

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  • NL
    Norbert Lüdtke

    Anläßlich der aktuellen Aufregung um die Reiseführer von Lonely Planet

    einige Gedanken und Hinweise von Norbert Lüdtke

    1. Vorsitzender der Deutschen Zentrale für Globetrotter dzg, www.globetrotter.org

     

    On or off the beaten track?

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    Ein Globetrotter sagte mir vor einigen Wochen, er habe Thailand mit zwei Reiseführern bereist, dem von Loose/Doring und dem von Lonely Planet.

    Den Lonely Planet habe er dort irgendwann liegen lassen.

    Doch Globetrotter sind Weltentdecker ? und dabei hilft der LP nicht sehr.

     

    Plagiat, Phantasie, Profit?

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    Seit dem 13. April überschlagen sich die Medien weltweit.

    Ein holzschnittartiges Bild entsteht, Lonely-Planet-Reiseführer seien abgeschrieben und kompiliert, ohne prüfende Ortskenntnis per Fernrecherche erstellt und von bestechlichen Autoren verfaßt worden.

    Doch Fern-Recherche gab es immer schon, Plagiat auch und wann ist Vorteilsnahme verwerflich?

     

    Midas sagt, alle Kreter lügen

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    Der Lonely-Planet-Autor Thomas Kohnstamm habe laut Interview mit dem australischen "Sunday Telegraph" zugegeben, große Teile seiner Reiseführer von anderen abgeschrieben und frei erfunden zu haben, berichtet Spiegel Online am 15.4.

    "Ich habe nicht abgeschrieben, ich habe nichts erfunden", sagte Kohnstamm.

    Was er noch gesagt hat ? alles sehr vernünftig ? findet sich unter http://www.worldhum.com/qanda/item/thomas_kohnstamm_the_firestorm_around_do_travel_writers_go_to_hell_20080414/.

     

    Midas ist Kreter

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    »Lonely Planet has conducted a review of all Mr Kohnstamm's guide books, but says it has failed to find any inaccuracies in them.« (The Sydney Morning Herald 13. April 2008)

    Jede andere Aussage wäre glaubhafter, denn:

    Kann es einen Reiseführer ohne Ungenauigkeiten überhaupt geben?

     

    No Mythos no money

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    Lonely Planet pflegt den Mythos des schreibenden Reisenden, der am wackligen Teehaustisch seinen Reiseführer tippt:

    selbst erlebt, selbst entdeckt, authentisch.

    Er macht den Weg frei für den beaten track auf dem Lonely Planet und sorgt für die Sicherheit und das Wohl aller, die nach ihm kommen.

     

    Doch Reiseführer-Autoren sind zu schlecht bezahlten Rechercheuren geworden, die sich teure Reisekosten sparen oder noch schlechter bezahlte Scouts einsetzen.

    Reiseführer sind nicht mehr Ausdruck persönlicher Reiseerfahrungen sondern bedienen redaktionell gesteuert Zielgruppenbedürfnisse.

     

    Mit Kritik an falschen Hotelpreisen lebt Lonely Planet schon lange gut, aber der Verlust des Mythos beschädigt die Marke.

    Möglicherweise ist also ein geschickter Werbetrick von Thomas Kohnstamm für sein Buch erheblich wirkungsvoller ausgefallen als geplant.

     

    Nix Neues?

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    Der Trotter 119 (2006) Seite 9-16, Norbert Lüdtke: On the beaten track?

    Der Trotter 115 (2005) Seite 48-52 Norbert Lüdtke: Die Zukunft der Individual-Reiseführer

    Der Trotter 97 (2000) Seite 50-55 NN: A History of Lonely Planet

    Der Trotter 94 ( 2000) Seite 95-96 Norbert Lüdtke: Das Reisen mit Lonely Planet