Reise nach Georgien und in die Ukraine: Cheney soll den Gasfluss sichern
Bei einer Reise in die Konfliktregion will US-Vize Cheney dafür sorgen, dass Russlands Anrainer Kurs halten - und sichergehen, dass es bei der geplanten Route einer Pipeline bleibt.
MOSKAU taz Bei der einwöchigen Reise des US-amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney durch mehrere postsowjetische Staaten geht es um handfeste geopolitische Interessen. Den Auftakt machte Cheney am Mittwoch in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, wo er von Präsident Ilham Alijew sowie Vertretern westlicher Ölkonzerne erwartet wurde. Danach wird er weiter in die von Kriegswirren geschüttelte Republik Georgien und in die Ukraine reisen, wo er mit Präsident Wiktor Juschtschenko zusammentrifft.
Mit der Mission wollen die USA die vom russischen Georgienfeldzug verunsicherten Anrainerstaaten Russlands auf euroatlantischem Kurs halten. In Baku geht es Washington aber vor allem um die Sicherung der Öl- und Gasreserven des Kaspischen Meeres. Zusammen mit der EU planen die USA, dort 2009 mit dem Bau der Nabucco-Pipeline zu beginnen. Sie soll Gas über die Türkei, den Balkan bis nach Österreich liefern. Cheney gehörte zu den Lobbyisten des Pipelineprojekts. In Baku will sich Cheney vergewissern, dass Aserbaidschan auch nach dem russischen Feldzug gegen Georgien an der Route durch den Nachbarstaat festhält.
In Washington grassieren Befürchtungen, die Energie exportierenden Länder in der Region könnten russischem Druck nachgeben und auf Georgien als Transitland verzichten, zumal Russland mit der Southstream-Pipeline durch das Schwarze Meer eine Alternative anbietet, die über russisches Territorium führt. Russlands Energieriese Gazprom machte den Aserbaidschanern schon Anfang das Jahres Avancen und bot an, die Abnahme von großen Gasmengen zu garantieren. Zu Besuch in Baku, meinte Kremlchef Dmitri Medwedjew im Juli, er sehe "gute Aussichten" für eine Energiekooperation zwischen den Ländern. Dank eines Pipelinenetzes hätte man auch "keine Probleme im Bereich des Transports".
Moskaus Kriegszug hat die Nachbarn an der Peripherie verunsichert. Dort mache sich das Gefühl breit, der Kreml könnte sie wie Georgien für ihre Nähe zu den USA abstrafen, meinen Beobachter in Baku. Während des Konflikts beschuldigte Georgien Russland, es habe gezielt die wichtigsten Pipelines bombardiert. "Die USA befürchten, dass Aserbaidschan seine Energieressourcen demnächst über Russland statt von Georgien schickt", sagt der ehemalige aserbaidschanische Präsidentenberater Wafa Gulusade. "Diese Frage wird eine der wichtigsten Punkte der Visite sein." Bislang war es Aserbaidschan gelungen trotz Nähe zu den USA auch zu Russland ein entspannt-geschäftsmäßiges Verhältnis zu wahren. Washingtons Freunde im Kaukasus sind nun aber irritiert, weil die Freundschaft mit den USA den Georgiern keinen Schutz sicherte.
In Georgien wird sich Cheney das nicht nur von dem angezählten Präsidenten Michail Saakaschwili anhören müssen. Deshalb wird er versuchen, die Georgier mit dem Versprechen einer unbürokratischen und vorgezogenen Aufnahme in die Nato zu besänftigen. Außerdem bringt er Finanzhilfe mit, die für einen gewissen Ausgleich sorgen soll, nachdem das Kapital seit Kriegsbeginn fluchtartig das Land verlassen hat. Vor allem muss er in Georgien aber dem Eindruck entgegentreten, dass in dem Krieg, der eigentlich den USA und nicht dem kleinen Georgien galt, Washington nicht doch den Kürzeren gezogen hat. Diese Botschaft verbreitet Moskau unaufhörlich.
Besonders heikel werden die Gespräche in der Ukraine, die auch der Nato beitreten möchte. Wollen die USA das Bild der Demokratie exportierenden Supermacht aufrechterhalten, die sich von niemandem Vorschriften machen lässt, können sie Kiew nicht auf viel später vertrösten. Für Russland stellt die Ukraine allerdings eine rote Linie dar.
KLAUS-HELGE DONATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“