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„Reinster stalinistischer Terror“

■ Horst Köbbert gehörte zu den Lagerhäftlingen von Fünfeichen

Rostock (adn) - Der Millionen Fernsehzuschauern bekannte Schauspieler und Sänger Horst Köbbert gehörte bis 1948 zu den Lagerhäftlingen von Fünfeichen. „Die Menschen starben wie die Fliegen“, sagte der Rostocker in einem am Donnerstag von der „Ostsee-Zeitung“ veröffentlichten Interview. „Für mich ist - was in Fünfeichen geschah - keine Abrechnung mit dem Faschismus, sondern reinster stalinistischer Terror gewesen.“

Horst Köbbert hat den Neubrandenburger Museumsmitarbeitern telefonisch genau beschrieben, wo sie die Massengräber zu suchen hätten. Der bei Kriegsende erst 17jährige habe keinen Hehl daraus gemacht, daß er in Warnemünde Fähnleinführer beim faschistischen Jungvolk war, und dazu habe er auch gestanden, als er von einem sowjetischen Offizier zu einem Gespräch in die Kommandantur gebracht worden war.

Nach vier Wochen Gefängnis in Rostock mußte er drei Jahre in das Gefangenenlager Fünfeichen, ohne befragt, verhört oder verurteilt gewesen zu sein. „Wir sind dort weder gefoltert noch gequält worden. Qual und Folter bestanden in Hunger und Kälte, in maßloser Eintönigkeit, im absoluten Verbot von Beschäftigungen wie Kartenspiel oder Schreiben.“

Erst nach zwei Jahren hätten seine Eltern in Warnemünde erfahren, daß er noch lebe. Die Nahrung habe aus Kohl und Wasser und 300 bis 400 Gramm Brot pro Tag bestanden. Er sei auf 90 Pfund abgemagert, habe Typhus, später TBC bekommen. Schon im Koma liegend, sei er in der Krankenbaracke gelandet, wo ihn eine russische Ärztin mit einem viertel Liter Milch pro Tag wieder etwas aufgepäppelt habe, erklärte er.

Horst Köbbert bezifferte die Zahl der Todesopfer auf etwa 9.000. „Sie sind verhungert oder haben sich den Magen kaputt gemacht. Zum Beispiel mit gekochtem Kartoffelkraut oder Maikäfern oder dem ständigen Essen des Sauergemüses. Wieviele Leichen habe ich allein aus der Krankenbaracke getragen! Nackt, mit einer Nummer am großen Zeh.“

Auf die Frage, ob er sich als Naziverbrecher schuldig gemacht habe und was die anderen Häftlinge waren, antwortete er: „In meinem Umkreis waren es kleinere Funktionäre, beispielsweise Blockwarte. Auch Leute, die nichts mit den Nazis zu tun gehabt hatten.“ Er erinnere sich aber an einen General, der mit seinem Burschen gesondert und bei Extraverpflegung gelebt hätte.

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