: „Reine Zeitverschwendung“
■ Greenpeace störte SPD-Forum zur Industriepolitik
Wie geht es weiter mit Bremens Häfen? Zwei Wochen vor ihrem Landesparteitag und dem Beschluß über die zukünftige Industrie- und Strukturpolitik Bremens, stellte die Bremer SPD am Samstag ihre Vorschläge auf einem industriepolitischen Forum vor. Thema war vor allem die Nutzung traditioneller Standortvorteile der Bremer und Bremerhavener Häfen. Geladen waren auch Gäste aus der Wirtschaft. „Wir wollen den Dialog“, erklärte SPD-Landesvorsitzende Tine Wischer, „und erwarten ihre kritische Begleitung.“
Die kritische Begleitung kam prompt. „Warum verschwenden Sie Ihre Zeit?“, fragten überraschend aufgetauchte UmweltschützerInnen per Flugblatt. Sie erinnerten an einen SPD-Beschluß vom Oktober 1993, der die Sperrung Bremischer Häfen für Atomtransporte vorsieht. Trotzdem weigere sich SPD-Hafensenator Uwe Beckmeyer beharrlich, diesen Schritt tatsächlich zu tun. „Solche Beschlüsse“, erklärte Greenpeace-Vertreterin Gertraude Gebhardt, „sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Wenn die SPD es nicht mal schafft, die Umsetzung bei den Parteigenossen in der Regierung einzufordern, braucht sie über zukünftige Industriepolitik erst gar nicht zu reden.“
Greenpeace wies darauf hin, daß in Bremerhaven hochradioaktive Stoffe auf alte Schiffe verladen würden, die sich keineswegs als Spezialschiffe bezeichnen ließen. Greenpeace: „Uns liegen inoffizielle Informationen vor, daß es beim Umschlag von Atommaterial zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist.“ HafenarbeiterInnen und AnwohnerInnen seien somit einer ständigen Strahlengefahr ausgesetzt. Statt die Atomtransporte durch Bremen zu stoppen, steige die Zahl weiterhin „drastisch“ an, sagt Gebhardt. Die GreenpeacerInnen verweisen auf unerwartete Unterstützung aus dem Bundesumweltministerium vom 23. April 1994: „Staatssekretär Clemens Stroetmann räumt ein, daß Bremen mit Hilfe einer Nutzungseinschränkung Atomtransporte über die bremischen Häfen stoppen kann, ohne daß die Bundesregierung etwas dagegen unternehmen kann.“
Kaum waren die Greenpeace-AktivistInnen gegangen, redete die SPD wieder nur noch über die Fortentwicklung der Region. Carsten Sieling, Sprecher der wirtschaftspolitischen Kommission im SPD-Landesvorstand, fordert regulative Eingriffe in die Marktwirtschaft. Ende der 80er Jahre habe es gute wirtschaftliche Entwicklungen in Bremen gegeben, doch habe man in der Phase der Stärke versäumt, notwendige wirtschaftspolitische Umstrukturierungen vorzunehmen.
Und diese sind nach Auffassung Sielings vor allem in der Hafenwirtschaft wichtig, da durch sie die Gesamtwirtschaft Bremens maßgeblich bestimmt wird. Die SPD setzt auf Investitionen in Zukunftsfeldern, wie den modernen Kommunikationstechnologien im Logistik-Bereich, auf überregionale Zusammenarbeit von Unternehmen und Politik.
Die Beschwörungsformel der Politik: Eine „verantwortliche Mitwirkung der Unternehmen“. Helmut Füssinger, Vertreter der Systemtechnik Nord (STN) im Bremer Vulkan konterte: „Konzepte für einen ökologischen Umbau der Transportwege liegen ja schon beim Vulkan auf dem Tisch.“ Für deren Umsetzung fehle es jedoch an den nötigen Rahmenbedingungen. Füssinger: „Letzten Endes stehen die Unternehmen alleine da.“ André Hesel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen