Wörtlich unwirtlich: Reich und armherzig
■ Acht HamburgerInnen, eine Meinung
Bischöfin Maria Jepsen: „In der Bibel ist nur einmal von einem Wirt die Rede, im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Die schändliche Bettlerdiskussion zeigt unsere Armherzigkeit: Jede Stadt wird unwirtlich, wenn das Wirtschaften der Wirtschaft und unser privates Wirtschaften von Eigennutz dominiert werden und der Gemeinnutz beliebig wird.“
Verena Schmidt, Hinz & Kunzt: „Unwirtlich ist es unter Hamburgs Brücken bei Nieselregen. Aber auch die Hamburger Preise für U- und S-Bahnen, für Mieten usw. machen die Stadt für Arme unwirtlich.“
Ernst Medecke, Anwalt für Ausländerrecht: „Die Ausländerbehörde ist für mich der unwirtlichste Ort der Stadt: Die Warteschlangen, die unerträgliche Behandlung der Menschen, die dort hinkommen und die Weigerung der Sachbearbeiter, Termine mit Rechtswanwälten abzusprechen.“
Heinz Uthmann, Richter und SPD-Chef Eimsbüttel: „Den schmuddeligen Zustand des S-Bahnhofs Sternschanze finde ich unwirtlich: Hier müßten die Betreiber dringend Geld in die Instandsetzung investieren.“
Helmuth Schmidtke, Arbeitskreis Wohnraumversorgung: „Daß Reiche noch nicht einmal den Anblick von Armut ertragen können, ist unwirtlich und unerträglich.“
Rainer Schmidt, Palette: „Ich finde es nicht nur unwirtlich, sondern obzön, daß Obdachlose in der Innenstadt in Hauseingängen schlafen müssen, über denen seit Monaten Schilder hängen: Gewerberaum zu vermieten.“
Horst Bossong, Drogenbeauftragter: „Das komplexe Phänomen der Unwirtlichkeit ist von Alexander Mitscherlich – ,Die Unwirtlichkeit der Städte' – klar herausgearbeitet worden, so daß wir uns vor jeder Simplifizierung und Instrumentalisierung hüten sollten.“
Josef Bura, Stattbau: „Daß wir in Hamburg 4000 Einkommensmillionäre haben und 2000 Menschen, die auf der Straße leben, ist unwirtlich. Die Aktien boomen, und gleichzeitig nimmt die Armut in rasanter Geschwindigkeit zu.“
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