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Regionalliga NordGroße Ziele

Ihr erstes Spiel in der Saison gegen den HSV gewinnt Holstein Kiel 1:2. Das tröstet aber nicht über die Turbulenzen der Vergangenheit hinweg. Deswegen wollen die Kieler jetzt alles neu machen.

Hatte trotz Aufstieg keinen Rückhalt in der Mannschaft: Ex-Trainer Falko Götz. Bild: dpa

Ein guter Start: In ihrem ersten Spiel am Sonntag gegen den HSV gewann Holstein Kiel 1:2. Aber nicht "gut", sondern "neu" ist das Wort, das sie bei der Kieler Sportvereinigung Holstein von 1900 e.V, jetzt alle ständig im Mund haben. Das hat mit der unerfreulichen jüngsten Vergangenheit zu tun. Also fangen wir da an.

Im Dezember 2008 wurde, die Mannschaft stand auf dem ersten Tabellenplatz der viertklassigen Regionalliga Nord, Trainer Peter Vollmann entlassen. Fiel aus allen Wolken, der Mann. Inzwischen ist Vollmann Trainer von Ex-Bundesligist Hansa Rostock, die in die Dritte Liga abgestürzt sind.

Als Vollmanns Nachfolger wurde Falko Götz, Ex-Trainer von Hertha BSC Berlin und 1860 München, vorgestellt, der, zusammen mit Andreas Thom, den Verein in die Dritte Liga und, möglichst im Jahr 2012, in die Zweite Bundesliga führen sollte, weil sich da Holstein Kiels Gewinn der deutschen Fußball-Meisterschaft zum 100. Mal jährt. Götz war nicht billig, aber Geld war nie das Problem in Kiel. Manchmal kann das ein Problem sein.

Seit der Saison 2005/06 ist die Supermarktkette "Famila" Trikotsponsor. Das Unternehmen gehört zur Bartels-Langness GmbH & Co. KG mit Hauptsitz in Kiel. Ein weiterer Sponsor ist die Citti Unternehmensgruppe, die zur Hälfte Bartels-Langness gehört, ein Zustelldienst für Großverbraucher sowie Betreiber von Supermärkten und Einkaufsparks. Die beiden Unternehmen sind in Holstein Kiels Aufsichtsrat mit Dr. Hermann Langness, Milliardär und Famila-Geschäftsführer, und Citti-Boss Gerhard Lütje, prominent vertreten. In Kiel klappert es der Storch vom Dach, dass Holstein Kiels Präsident Roland Reime nichts zu melden hat.

Mit dem selbstbewussten Götz wurde Kiel Meister der Regionalliga und stieg auf. Er war dabei, die Mannschaft umzubauen. Ältere Spieler raus, offensiver Fußball, mehr Spielkultur. Langfristiges Konzept eines Trainers, der aus der Bundesliga kommt. Die Mannschaft legte sich quer und informierte Lütje, nicht den Präsidenten, über atmosphärische Störungen zwischen ihnen und Götz. Am 16. September 2009 wurde Götz, der einen für Drittligaverhältnisse hoch dotierten Vertrag bis 2013 hatte, beurlaubt. Holstein Kiel drohte die Zahlung einer hohen Abfindung.

Später wurde Götz vorgeworfen, am 8. August, nach der Niederlage gegen Eintracht Braunschweig, den Mittelfeldspieler Marco Stier geschlagen zu haben. Aus der Beurlaubung wurde eine fristlose Kündigung - Abfindung gespart. Götz klagte gegen die Kündigung. Das zuständige Arbeitsgericht Kiel sah den Vorwurf der Körperverletzung als bewiesen an, was Götz und sein Anwalt Oliver Wendt nicht anders erwartet hatten, und wies die Klage ab. Holstein Kiel wurde juristisch von Gabi Krämmer, der Lebensgefährtin von Gerhard Lütje, vertreten. Die Sache ist nicht ausgestanden, Götz geht in die Berufung. Eine Chance hat er erst vor einem Gericht, das weit weg von Kiel ist.

Holstein Kiel bekam mit Christian Wück einen neuen Trainer und stieg als Vorletzter in die Regionalliga ab. In die neue Saison geht Kiel mit Thorsten Gutzeit, 44 Jahre alt, der bislang Vereine wie den Rendsburger TSV, die SpVgg Eidertal-Molfsee und seit 2007 die U23- und U19-Teams von Holstein Kiel, neben seinem Beruf als Versicherungskaufmann, gecoacht hatte. Nun ist er nur noch Fußballtrainer. "Derzeit herrscht große Enttäuschung auf allen Seiten, sei es Fans, Mitglieder, Sponsoren oder Spieler im Nachwuchsbereich. Kein Wunder nach dem vergangenen halben Jahr. Unsere Aufgabe wird es sein, diese Enttäuschung und Traurigkeit aus den Köpfen zu bekommen", sagte Gutzeit bei seiner Vorstellung.

Gutzeit hat einen Haken. Er hat nur die A-Lizenz, sollte Kiel aufsteigen, benötigt er eine Lizenz als DFB Fußball-Lehrer. Sechs neue Spieler hat er: Steve Müller und Karsten Fischer (beide vom Mitabsteiger Wuppertaler SV), Sofien Chahed (Hannover 96), Yannik Jakubowski (VfR Neumünster), Jakob Sachs (VfB Lübeck) und Kusi Kwame (USC Paloma). Gehen mussten unter anderem Sven Boy, Marco Stier, Dmitrijus Gusinas und Massimo Cannizzaro. Gutzeit holte sechs Spieler seiner U 23 in den Regionalligakader, wodurch der Altersschnitt bei knapp über 20 Jahren liegt. Das ist tatsächlich neu.

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3 Kommentare

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  • JL
    Julian Lutzebäck

    Sehr geehrter Roger Repplinger,

    Ich habe Ihren Artikel über Holstein Kiel als Kieler mit Interesse verfolgt. Meine Stimmungslage wandelte sich allerdings im Laufe der Lektüre von "freudig erwartend" zu "kopfschüttelnd".

    Was soll Ihr Artikel explizit ausdrücken?

    Dass Holstein Kiel ein künstlich von Großmarkt-Milliardären am Leben gehaltenes Konstrukt ist, das nur mit Hilfe von Mauscheleien, Betrug und Korruption überhaupt am Leben gehalten werden kann?

    Dieser Eindruck entsteht und lässt, vorsichtig formuliert, Zweifel an Ihrer Objektivität (sowie - mit Verlaub - an Ihrem Sachverstand) zu.

    Zu behaupten, dass der "Fall Götz" nur außerhalb Kiels zu einem objektiven Urteil bzw. zu einem Sieg Götz´ führen könne, grenzt an Rufmord und unterstellt nicht nur Holstein, nein, der gesamten Landeshauptstadt Kiel Korruption und Schattenwirtschaft.

    Wie können Sie, Herr Repplinger, sich dieses Urteil erlauben? Stammen Sie aus Kiel? Waren Sie JEMALS im Holsteinstadion oder dessen Umfeld ? Ihr Artikel lässt daran Zweifeln.

    Ich bitte darum, beim nächsten Versuch ein wenig mehr Objektivität zu wahren - oder es zu lassen.

     

    Gruß,

    Julian Lutzebäck

  • BL
    Burkhard Leo

    Der Artikel erweckt den falschen Eindruck, Götz sei zunächst beurlaubt worden und erst später sei der Vorwurf, er habe einen Spieler geschlagen, erhoben worden, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen und auf diese Weise die Abfindung zu sparen. Das stimmt jedoch defintiv nicht. In der KN-Online-Ausgabe vom 16. September 2009, in der die Gründe für die Beurlaubung geschildert werden, heißt es: "Selbst ein außergewöhnlicher Vorfall am 8. August in Braunschweig hatte die Mannschaft nicht bewogen, auf Distanz zu ihrem Trainer zu gehen. Unmittelbar nach der Niederlage hatte Götz in der Kabine Marco Stier attackiert, wie KN-Online aus mehreren Quellen bestätigt wurde. Ein Augenzeuge erklärte: 'Der Trainer hat Marco erst angeschrien und dann mit der flachen Hand an die Stirn geschlagen.' Im Berufsleben gilt eine solche Handgreiflichkeit als Grund für eine fristlose Entlassung."

    Holstein Kiel hat nach dem 16. September versucht, mit Götz eine Einigung zu erzielen, denn natürlich lag es auch nicht im Interesse der Verantwortlichen bei Holstein, in der Öffentlichkeit "schmutzige Wäsche zu waschen". Erst, nachdem eine Einigung mit Götz nicht zu erzielen war, wurde die fristlose Kündigung ausgesprochen - was selbstverständlich notwendig war, um die Rechtsposition von Holstein zu wahren. Denn bekanntlich muss innerhalb von zwei Wochen die fristlose Kündigung ausgesprochen werden, wenn der Arbeitgeber Kenntnis von Umständen erlangt, die zur Kündigung berechtigen, andernfalls verfällt das Kündigungsrecht.

    Holstein Kiel hat also durch die Beurlaubung und den einstweiligen Verzicht auf eine fristlose Kündigung Kündigung nur versucht, den Schaden für alle Beteiligten möglichst klein zu halten. Erst, nachdem dies gescheitert war, wurde die fristlose Kündigung ausgesprochen. Leider liest sich das in Ihrem Kommentar völlig anders....

    Und einen Kommentar zu der Aussage, Götz habe nur vor einem Gericht, das "weit weg von Kiel" sei, spare ich mir. Nur soviel: Es ist schon starker Tobak, der Richterin am Arbeitsgericht zu unterstellen, sie habe aus Lokalpatriotismus das Recht gebeugt.

  • MD
    M. Drews

    Haben sie sich eigentlich mal durchgelesen was sie da schreiben?

     

    Herr Götz wurde beurlaubt weil die Tätlichkeit bekannt wurde, die Vorwürfe gab es also vor der Beurlaubung, nicht danach.

     

    Sehr interessant ist auch das sie allen Kieler und unmittelbarer in der Nähe liegenden Gerichten die objektivität absprechen.