Regional-Sprecher von Transparency International Rainer Dombois: "Ein Senator ist kein Lobbyist"
Ein Hafensenator sollte nicht plötzlich zum Reedervertreter mutieren dürfen, fordert Transparency International.
taz: Herr Dombois, Bremens Hafensenator Ralf Nagel ist plötzlich Reederverbands-Geschäftsführer. Ist das normal?
Rainer Dombois: Der Wechsel von Politikern in die private Wirtschaft ist relativ häufig - aber deshalb nicht unproblematisch. Es entstehen Grauzonen der informellen Einflussnahme.
Aber oft gilt als Hauptaufgabe eines Wirtschafts- und Hafensenators die Wirtschaftsförderung: Ist der nicht ohnehin Lobbyist?
Der Regional-Sprecher von Transparency International ist Soziologie-Professor am Bremer Institut für Arbeit und Wirtschaft.
Ein Senator ist kein Lobbyist. Im Gegenteil. Er muss zwischen den unterschiedlichsten Interessen der privaten Wirtschaft vermitteln. Und er steht in diesen Konflikten für die Wahrung öffentlicher Interessen.
Wo konkret konkurrieren die denn mit denen der Reeder?
Da gibt es doch eine ganze Reihe von Fragen, wo die Interessen der Reeder nicht identisch sind mit denen der öffentlichen Hand - vor allem in Fragen der Besteuerung und der Rückflaggung von Schiffen. Der Hafensenator ist nicht Interessenvertreter der maritimen Wirtschaft oder gar eines ihrer Teile. Er ist in erster Linie ein Amtsträger, der das Interesse der Öffentlichkeit gegenüber Interessen der Privatwirtschaft vertreten und wo möglich durchsetzen muss.
Aber er geht ja nur zum Verband, nicht in eine Firma…
Das ist doch noch mal problematischer: Der Geschäftsführer eines solchen Interessenverbandes koordiniert ja nicht nur die Interessen der Reeder. Er ist derjenige, der die Forderungen des Verbandes gegenüber der Politik vertritt. Und das ist ein Bereich, in dem sich der Herr Nagel gut auskennt, da stößt er auf offene Türen.
Heißt das, die Entscheidungen seiner Amtszeit müssen alle noch einmal auf den Prüfstand?
Ich gehe nicht davon aus, dass Nagel für Entscheidungen belohnt wurde. Der Verband interessiert sich für ihn wegen seiner Kontakte und seiner intimen Kenntnisse der Politik in diesem Feld. Man verspricht sich dadurch also eher eine stärkere Einflussnahme gerade in noch offenen Fragen. Auf diese Weise werden politische Entscheidungen intransparent…
… und das Amt verliert an Ansehen?
Auf lange Sicht ist das wahrscheinlich: Wenn es gang und gäbe wird, dass Minister so in die private Wirtschaft wechseln, fördert das den Anschein, der Amtsträger sei nur ein Vertreter der entsprechenden Lobby.
Was ließe sich dagegen tun?
Wir von Transparency fordern für Wechsel vom politischen Amt in die private Wirtschaft eine dreijährige Karenzzeit, in der die betreffenden MinisterInnen eben nicht die Themen bearbeiten dürfen, die sie qua Amt zu bearbeiten hatten. Für Beamte gibt es schon Ausschlussregelungen, die allerdings auch noch stark verbesserungsbedürftig sind.
Bloß macht ein temporäres Berufsverbot das Amt unattraktiv für kompetente KandidatInnen, die von der Wirtschaft umworben werden.
Das ist doch kein Berufsverbot. Minister oder Senator ist ja kein Beruf, auf den die Amtsträger sich durch eine spezielle Ausbildung vorbereitet hätten. Die werden ja meist fachfremd besetzt - und sind für die jeweilige Branche erst durch das Wissen und Kontakte interessant, die sie in ihrem Amt erworben haben und nun für private Interessen nutzbar machen.
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