: Regiment der Pappnasen
■ Premiere für „Viel Lärm um Nichts“ am Leibnizplatz: Shakespeare zündete ein paar Lacher
Was ist lustig an einer Pappnase im Gesicht? Gar nichts eigentlich, außer man lacht darüber. Auf dieser eher schlichen Wahrheit fußt die ganze Karnevalszeit. Und doch: Wenn man den Fernsehübertrageungen glauben darf, sind die Menschen begeistert. Kaum sind am Rosenmontag 100.000 Tonnen Kamellen von 5 Millionen dekorierten Wagen geworfen worden und haben dann 1000 Ohnmächtige am Wegesrand hinterlassen, da feiert die Shakespeare Company am Dienstag Premiere. „Viel Lärm um nichts“, eine Komödie, wie es ohne Einschränkung im Untertitel heißt. Für die Company eine passende Gelegenheit, ihr Können zu zeigen, hat man sich doch nicht nur in Köln und Mainz, sondern auch am Leibnizplatz die breitenwirksame Volksbelustigung auf die Fahnen geschrieben.
„Viel Lärm um Nichts“ bedeutet da erstmal ein ganzes Konzet an Rasseln, Ratschen und Schnarren , mit dem das Publikum auf südliche Gefilde eingestimmt werden soll. Livemusik von Lou Simard begleitet das ganze Stück von einer kleinen Plattform neben der Hauptbühne aus. Doch alsbald beginnt sie, auf ihrer Rundharfe und mit Wassergeräuschen aus dem Zinkeimer jeden Schritt auf der Bühne zu untermalen. „Micky-Mousing“ nennt man das beim Trickfilm. Ein Kunstgriff, der den Maßstab setzt für weite Strecken dieser Inszenierung.
Die Handlung ist kurz erzählt und im Wesentlichen nicht der Rede wert. Drei Paare stehen im Zentrum der Handlung, die sich nach den schönsten dramaturgischen Schnörken erst ineinander verlieben, dann in ein Intriegenspiel verwickelt werden, getäuscht und enttäuscht an der Liebe sich verwirrt in alle Möglichen Händel stürzen, verkleidet als Männer in Frauenkleidern oder umgekehrt, großes Chaos anrichten und sich am Ende doch noch zu netten, sauber getrennten Hochzeitspärchen gruppieren.
Ganz im Stil der paarweisen Liebesverwirrungen ist auch die Regie paarweise vertreten. Gemeinsam versuchen Silvia Armbruster und Peter Lüchinger, „Viel Lärm um nichts“ mehr abzugewinnen als heiße Luft. Phasenweise gelingt das auch. Als das Intrigenspiel seinen Höhepunkt erreicht und Beatrice und Benedic von den übrigen Beteligten zu einem Liebespaar zusammengeschmiedet werden sollen, wird die zaghafte Annäherung der Beiden in ein schönes Bild aufgelöst: Hinter beweglichen Vorhängen verborgen, sind beide zunächst an gegenüberliegenden Seiten der Bühne psotiert; mit jedem neuen Kompliment, jeder süßen Lüge bewegen sich die Verführten während der Szene aufeinander zu.
Ansonsten wird die schlichte Geschichte gradlinig erzählt, die Schauspieler kennen ihre Einsätze und der Vorgang der Komödie kann unbehindert von statten gehen. Doch eine Komödie, bei der man sich amüsiert, das würde mehr an Phantasie erfordern.
Vor fast 500 Jahren hat William Shakespeare versucht sich komische Situationen mit schrägen Typen auszudenken. Mehr noch: Zwischen den artistischen Wortgefechten seiner Protagonisten zwinkert dem Publikum manch tiefgehende Lebensweisheit zu. Doch 500 Jahre: Das ist lange her. Und leider wird man immer wieder daran erinnert. Denn den Regisseuren ist offensichlich zur Komödie nichts besseres eingefallen, als ihren Hausautor treu vom Blatt zu spielen. Im Wesentlichen wirkt das betulich und wie mit dem Holzhammer gewunken. Damit es keine Mißverständisse gibt, zeigt man dem Publikumschon lange im Voraus an, wann es zu lachen hat: Gleich zu Beginn des Abendes wird der Auftritt des Königs so angekündigt. Der erste Schauspieler tritt an die Rampe, reißt die Augen auf und weist in die Ferne. Dann zupft er den Kollegen am Ärmel. Auch der staunt pflichtschuldig in die Ferne, dann kommt tatsächlich mit großem Hofstaat der König die Haupttreppe heranbeschritten und gibt einen pompösen und gleichzeitig lächerlichen Auftritt. Originelle Regieideen nennt man etwas anderes. Die Komik der Company steckt noch in den Kinderschuhen der Stummfilmzeit. Als hätte es keine erfolgreichen Komiker in der Zwischenzeit gegeben.
Dabei sind die drei Stunden diese Abend wirklich lang genug um die Figuren vielleicht noch eine zweite Ebene mitzugeben, ihnen ein wenig Selbstironie mit auf den Weg zu geben. Wie einfach wäre es gewesen, z.B. mit einer kleinen gestischen Referenz in Richtung „Mr. Bean“ an den zur Zeit erfolgreichsten englichen Komiker nach 500 Jahren den Anschluß zu suchen.
In der Company hat man sich statt dessen gerade mal auf die Zeitebene von Stan und Ollie vorgearbeitet. Zur Anreicherung ein wenig volkstümlicher Dialekt. Schlehwein und Holzapfel, von Frank Weiland und Robert Brandt nicht ohne Pep gespielt, tauchen in der großen komischen Szene, die die letzte Intriege um eien gestohlenes Hochzeitskleid aufdecken soll, als unvergängliche „Dick und Doof“- Kombination auf. Karierte Hosen werden zu ausgestopften Bäuchen und weit aufgerissenen Augen getragen. Das krönende Sahnehäubchen auf der Lachnummer: der sächselnde Dialekt.
Mit „Viel Lärm um Nichts“ hat die Company sich wieder auf das Feld zurück gezogen, auf dem sie sich am besten verkaufen können. Mit dem schwierigeren und vielschichtigeren „Kaufmann von Venedig“, der letzten Premiere vor Wochenfrist, hat sich Kentrupps Truppe eindeutig verhoben. Aber die Pappnase steht den Bremer Mimen gut. Susanne Raubold
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen