Regime in Tschetschenien: Angst, Spitzel und Entführungen
Hass gegen Moskau: In der Kaukasusrepublik Tschetschenien geht Präsident Kadirow mit unbarmherziger Gewalt gegen mutmaßliche Rebellen vor.
BERLIN taz | Bei Anschlägen in Russland fällt schnell der Verdacht auf separatistische Rebellen aus Tschetschenien. Dort bildete sich in den letzten Jahren ein totalitäres Regime heraus, das auf Gewalt, Spitzel und Angst beruht. Entführungen, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung. Seit 2007 nehmen die Entführungen wieder zu. Die Angehörigen von Entführungsopfern wagen es immer weniger, sich bei Menschenrechtsorganisationen oder den Behörden über das Verschleppen ihrer Verwandten zu beklagen. Es geht die Angst vor der Verfolgung durch die Behörden um, sagt die Moskauer Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina.
Mit unbarmherziger Gewalt geht das Regime von Präsident Ramsan Kadirow gegen Gegner und mutmaßliche Aufständische vor. Auch vor Sippenhaft macht sein Regime nicht halt. Ganze Familien vermeintlicher Aufständischer wurden im letzten Jahr aus ihren Häusern vertrieben, bevor diese in Brand gesteckt wurden. Andere wurden mit Drohungen gezwungen, im Fernsehen Reue zu üben, Verwandte zur Rückkehr aufzufordern und bei Beerdigungen zu verfluchen.
Grosnys Bürgermeister Muslim Chutschiew drohte bei einem Treffen mit Angehörigen mutmaßlicher Aufständischer, man werde mit den Eltern Aufständischer so verfahren, wie diese es mit der Zivilbevölkerung täten. Tschetschenen, die aus dem Ausland zurückkehren, fürchten wie der aus Österreich heimgekehrte Zubajr Zubajrajew um ihr Leben. Er hatte der Propaganda geglaubt, dass Tschetschenen ohne Furcht zurückkönnten. Derzeit wird er in Haft gequält und dafür bestraft, dass er sich beschwert hat.
Doch auch die Rebellen in Tschetschenien und den benachbarten Nordkaukasus-Republiken Dagestan und Inguschetien gehen gnadenlos gegen die staatlichen Sicherheitskräfte vor und nehmen zivile Opfer in Kauf. Nach Anschlägen islamistischer Rebellen auf Geschäfte, in denen Alkohol verkauft wurde, ist es in Inguschetien nicht mehr möglich, Alkoholika offen zu erwerben. Auch die frühere von "ingushetia.org" wurde bedroht. Zunehmend wurden Menschenrechtler Opfer. 2009 war die Memorial-Mitarbeiterin Natalja Estemirowa ermordet worden. Ihr folgten die Menschenrechtlerin Sarema Zadulajewa und ihr Mann.
Zugleich wächst unter Tschetscheniens Machthabern wie der Bevölkerung der Hass gegen Moskau. Und dieser stößt auf Gegenhass. Nachdem der Chef der liberaldemokratischen Partei, Wladimir Schirinowski, kürzlich über Kaukasier sagte, diese seien nicht in der Lage zu arbeiten, forderte Präsident Kadirow alle Tschetschenen zum Austritt aus Schirinowskis Partei auf. In Tschetschenien wird sich niemand trauen, dem zu widersprechen.
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