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Regierungswechsel in BaWüGrüne herrschen über Schwarze

Grün-Rot in Baden-Württemberg ist auf die Loyalität des konservativen Beamtenapparats angewiesen. Grünen-Landeschefin Silke Krebs huldigt ihm deshalb vorsorglich.

Nach der grün-roten Feier kommen die Mühen der Ebene. Bild: dpa

STUTTGART taz | Auf eine Weise ist Baden-Württembergs Regierung nach wie vor tiefschwarz. Denn in diesen Tagen richten MinisterInnen von Grünen und SPD ihr Büro in Behörden ein, in denen fast sechs Jahrzehnte Konservative Personalpolitik machten: "Eine große Gefahr für die Regierung ist, dass die Chemie zwischen den neuen Ministern und den Beamten nicht stimmt", sagt der Konstanzer Verwaltungswissenschaftler Wolfgang Seibel. Durch die lange CDU-Herrschaft hätten sich auch "viele Prägungen kultureller Art" ergeben.

Fürchten die Neuen, dass der schwarze Machtapparat gegen sie arbeitet? Verkehrsminister Winfried Herrmann (Grüne) winkt ab. "Sicher", meint er, "in den Ministerien haben sich über die Jahrzehnte viele Beamte angesammelt, die schwarz denken oder schwarze Parteibücher haben." Doch die meisten Beamten seien qualifiziert und loyal. Zudem will Hermann "neu zu beschaffende Mitarbeiter" in sein Ministerium holen.

Vielleicht sind die Konflikte auch gar nicht so groß. Eine Umfrage der taz unter baden-württembergischen Staatsdienern, die alle anonym bleiben wollen, legt diesen Schluss zumindest nahe.

Neue Regierung, neue Chancen

Ein wichtiger Ministerialbeamter, der sich in der CDU öffentlich engagiert, sagt zwar mehrdeutig: "Ein führender Beamter ist immer auf mehrere Eventualitäten eingestellt." Doch trotz Parteibuch arbeite er unabhängig. "Die neue Regierung bietet auch Chancen", lautet ein Fazit des CDU-Manns.

Volker Stich, Chef des Beamtenbundes Baden-Württemberg, sagt, viele seien durch den "relativ überheblichen Umgang" der alten CDU/FDP-Regierung enttäuscht gewesen. "Dass Mappus einseitig die Wochenarbeitszeit der Beamten erhöhen wollte, haben viele als Missachtung ihrer Arbeit gesehen", sagt Stich. In einer Wahlanalyse von Infratest dimap gaben 35 Prozent aller Beamten an, die Grünen gewählt zu haben - im Vergleich zur letzten Wahl sind das 16 Prozentpunkte mehr. Auch wenn sich diese Umfrage auf alle Beamten des Landes bezieht: Ein bisschen Wechselstimmung herrschte wohl auch in den Ministerien.

Klar ist, dass einige dies anders sehen. Ein hoher Beamter eines Stuttgarter Ministeriums ist kurz davor, seine Akten zu packen. Er hat nach dem Wahlsieg von Grün-Rot um die Versetzung an seine frühere Dienststelle gebeten. "Ich sehe dies entspannt und empfinde es nicht als beruflichen Rückschlag", sagt er, der früher Parteiämter innehatte.

Kurz nach der Landtagswahl waren viele geschockt, berichtet ein gut vernetzter Beamter. "Wer wegkommt, ist schon weg." Dann wurde es ruhig in den Ministerien, die Kaffeepausen wurden länger, gleichzeitig wuchs die Nervosität. Die neue Regierung kann ihre Beamten aus dienstlichen Gründen an eine andere Dienststelle versetzen. "Aber die Regierung würde sich in das eigene Fleisch schneiden, wenn sie ihre erfahrenen Leute versetzt", sagt ein Bediensteter.

Schicksal der Beamten

In den vergangenen Tagen hat die grün-rote Regierung die meisten persönlichen Referenten, Pressesprecher, politischen Beamten und die Leiter der Zentralabteilungen ausgetauscht. Das ist das übliche Schicksal derjenigen, die besonders nah an den Entscheidern sind. Für diesen Austausch haben sogar die Betreffenden Verständnis.

Die vier Regierungspräsidenten sowie die zehn Ministerialdirektoren sind politische Beamte, die eine neue Regierung jederzeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzen kann. Die Ministerialdirektoren haben die bedeutende Aufgabe, als Amtschefs in den Ministerien die Beamtenapparate zu leiten. "Glauben Sie wirklich, dass einer von denen bleibt?", fragt ein Mitarbeiter des Staatsministeriums skeptisch.

Die Staatsministerin und Grünen-Landeschefin Silke Krebs lobt die Landesverwaltung: "Die baden-württembergische Ministerialverwaltung hat bundesweit einen hervorragenden Ruf. Wir gehen fest davon aus, dass die BeamtInnen mit der neuen Regierung loyal zusammenarbeiten werden."

Auch Verwaltungsexperte Seibel zweifelt nicht an der Loyalität der Ministerialbeamten: "Die Beamten werden auch unter einem grünen Minister wie ein Uhrwerk laufen", sagt er. Zwar sei es für leitende Beamte bitter, wenn sie nun genau das Gegenteil dessen anweisen müssen, was sie vor kurzer Zeit gesagt hätten, so Seibel. "Aber das werden sie tun."

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