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Regierungskrise in Podgorica

Montenegros Präsident Djukanović profitiert nicht mehr von seiner Opposition gegen Milošević und verliert mit einem Koalitionspartner die Parlamentsmehrheit

BELGRAD taz ■ Die in Montenegro regierende Koalition „Für ein besseres Leben“ ist im Streit über den Status der kleinen Adria-Republik in der Föderation mit dem zehnmal größeren Serbien in der Nacht zu gestern auseinander gebrochen. Damit hat Präsident Milo Djukanović die Mehrheit im Parlament verloren.

Die Koalitionskrise brach aus, als sich Dujakanović’ „Demokratische Partei der Sozialisten“ (DPS) und die „Sozialdemokratische Partei“ (SDP) auf eine Plattform für Verhandlungen mit Serbien einigten. Sie geht von einer international anerkannten Souveränität Serbiens und Montenegros aus und sieht eine lose Konföderation der beiden Teilrepubliken vor. Den „Bund unabhängiger Staaten“ sollten eine gemeinsame Verteidigungs- und Außenpolitik, ein einheitlicher Markt und eine gemeinsame Währung verbinden. Als bisherige dritter Koalitionspartner setzt sich die „Volkspartei“ (NS) jedoch für das Fortbestehen der Bundesrepublik Jugoslawien ein. Sie hat deshalb jetzt die Regierung Montenegros verlassen.

Damit ist Djukanović’ Herrschaft ernsthaft bedroht. Jahrelang baute er darauf, dass Montenegro keine Zukunft in der Föderation mit dem isolierten Serbien habe, und sah die Unabhängigkeit Montenegros als einzigen Weg, um sich von den gegen Serbien gerichteten Sanktionen wegen der Machtsucht Slobodan Milošević’ zu befreien. Seine eigene autoritäre Herrschaft und den mächtigen Polizeiapparat begründete Djukanović glaubwürdig damit, dass Montenegro von Milošević’ Serbien und der jugoslawischen Armee bedroht sei. Zuletzt boykottierte er die Bundeswahlen im September.

Nach der demokratischen Wende in Serbien verloren diese Argumente an Gewicht. Das Beharren auf einem raschen Austritt aus der jugoslawischen Föderation hat in Montenegro immer weniger Anhänger. Djukanović kann sich jetzt durch eine Minderheitsregierung an der Macht halten, wenn ihn der unangenehme „Liberale Bund“ stützt. Dessen Anhänger gelten als harte Sezessionisten und haben Djukunović schon oft beschuldigt, an der Spitze des organisierten Verbrechens in Montenegro zu stehen.

Die Opposition fordert vorgezogene Parlamentswahlen, die Djukanović’ DPS wohl verlieren würde. Die montenegrinische „Sozialistische Volkspartei“ (SNP), einst Verbündeter von Slobodan Milošević, nun Koalitionspartner der „Demokratischen Opposition Serbiens“ (DOS) im Bundesparlament, gewinnt in Montenegro an Boden. Der SNP-Chef und jugoslawische Ministerpräsident Zoran Zizić kritisiert Djukanović’ „verfassungswidrige Sezessionsversuche“.

Belgrad beobachtet die Entwicklung in Montenegro ohne besondere Aufregung. Jugoslawiens Präsident Vojislav Koštunica ist für ein Referendum über das Fortbestehen der Bundesrepublik Jugoslawien in beiden Teilrepubliken. Sollte sich das Volk für einen gemeinsamen Staat entscheiden, würden die Landesregierungen über eine neue Verfassung verhandeln.

ANDREJ IVANJI

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