Regierungskrise in Luxemburg: Ende der Juncker-Herrschaft

Als „Mister Euro“ war Jean-Claude Juncker der Liebling der europäischen Medien. In Luxemburg ist die Bilanz von 18 Jahren an der Macht differenzierter.

Sagt Ciao, aber wohl nicht für immer: Jean-Claude Juncker. Bild: dpa

LUXEMBURG taz | Die Zigarette hängt ihm immer lässig im Mundwinkel und der nächste flapsige Spruch kommt bestimmt: Jean-Claude Juncker war unter den sonst eher drögen EU-Politikern ein erfrischender Exot. Der eitle kleine Mann, der sich nicht scheute, den Machthabern der großen Nachbarländer die Leviten zu lesen, wenn es um die europäische Idee ging.

Auch in seinem Heimatland Luxemburg gilt Juncker als politischer Wunderknabe. Und das seit seinen ersten Auftritten auf der Politbühne, denn Juncker kletterte die Karriereleiter hoch wie kaum jemand vor ihm: 1984 wird er mit 28 Jahren Abgeordneter, fünf Jahre später wird er Arbeits- und Finanzminister. 1995 wird er zum ersten Mal als Premierminister eingesetzt, als Ersatz für seinen Vorgänger Jacques Santer, der die Präsidenz der Europäischen Kommission übernahm.

Seitdem wurde er regelmäßig als Premier wiedergewählt und war von 2005 bis 2013 eben „Mr. Euro“. Seinen rasanten Aufstieg hat Jean-Claude Juncker nicht nur seinem Charme und seinen Rhetorik-Kampfkünsten zu verdanken, sondern vor allem seiner Parteikarte. Die Christlich-Soziale-Volkspartei (CSV) regiert in Luxemburg seit 1919 mit und seit dem zweiten Weltkrieg fast ununterbrochen mit unterschiedlichen Koalitionspartnern.

Die Partei hat die Strukturen des Kleinstaats in dieser Zeit effektiv unterwandert und der Begriff „CSV-Staat“ ist für jeden Luxemburger Synonym des konservativen Machtapparats – der stets im Gleichklang mit Kirche, Großherzog und der mächtigen klerikalen Presse regierte.

„Die-mit-Juncker“-Partei

Juncker gehört dem sozialen und progressiven Flügel der CSV an, und scheute sich nicht, im „CSV-Staat“ aufzuräumen. So drängte er den Einfluss der Kirche auf die Gesellschaftspolitik zurück und machte seine Partei flott für die Moderne. Dies bedeutete auch eine Entkernung ihrer konservativen Inhalte.

Den Preis dafür, eine Konzentration auf seine Person, zahlte er allzu gern. So wurde die CSV immer mehr zur „Die-mit-Juncker“-Partei und er zum Garanten für Luxemburgs Stabilität und Wachstum. Dass ihm dabei der Sinn für die Realität dermaßen abhanden kam, wie es in den letzten Monaten die Geheimdienstaffäre bewiesen hat, ist in Luxemburg ein offenes Geheimnis. „Bokassa, der schwarze Großdiktator“, nennt ihn zum Beispiel die Luxemburger Satirezeitschrift „Feierkrop“.

In der Zwischenzeit ist eine ganze Generation Luxemburger volljährig geworden, die niemand anderen als den Premier kennt. Und diese fühlt eine starke Hassliebe für diesen Mann, der zwar Luxemburg auf europäischen Bühnen stets brillant repräsentierte, dafür aber sein Heimatland am Liebsten im Stillstand wähnt. Und auch immer wieder vernachlässigte, um eben mal kurz den Euro zu retten oder sich einen seiner Preise und Ehrendoktortitel abzuholen.

Denn auch Luxemburg ist nicht an der Krise vorbeigeschrammt und überteuerte Immobilienpreise, eine rasant ansteigende Arbeitslosigkeit sowie eine Sozialpolitik, die den Realitäten hinterher hechelt, haben auch hier die Menschen an der Politik zweifeln lassen. In diesem Sinne ist Juncker auch nicht – nur über eine Geheimdienstaffäre gestrauchelt, sondern vor allem über sein eigenes Ego.

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