Regierungserklärung von Angela Merkel: Europas dicke Bretter
Ab Donnerstag tagen die europäischen Regierungschefs. Kanzlerin Merkel warnt zu diesem Anlass davor, nur nationale Interessen zu verfolgen.
Vor welch großer Zahl an gemeinsamen Aufgaben die EU steht, wurde deutlich, als sie die Themen des Gipfels aufzuzählen begann: Terrorismusbekämpfung, eine globale Energiewende, das transatlantische Bündnis, die Zukunft der Währungsunion, der Ukraine-Konflikt. Es war eine Liste, die kaum enden wollte, und doch muss sie abgearbeitet werden. Merkel fürchtet, die Errungenschaften der EU könnten andernfalls verloren gehen. „Und kein Land in Europa braucht sie so wie wir.“
Merkel arbeitete sich an den Nachbarländern ab. Frankreich, der Freund. Großbritannien, ein „natürlicher“ Verbündeter. „Andererseits werden wir die grundlegenden Errungenschaften der europäischen Integration nicht infrage stellen“, sagte sie mit Blick auf die britischen Drohungen, aus der EU auszutreten.
Die Europa-Kritiker, Polen und Ungarn, sprach sie nur indirekt an, als sie über ihr Ziel redete, eine gemeinsame Flüchtlingspolitik zu verfolgen. „Die Verteilung der Flüchtlinge ist eine Frage elementarer europäischer Solidarität.“ Genauso wie Anstrengungen außerhalb Europas, in Afrika, der Türkei, Syrien.
„Allianz für den Krieg“
Merkel sprach sich für den Vorschlag der Europäischen Kommission aus, die europäische Grenzschutzagentur Frontex zu stärken. Zur Not, so sieht es die Kommission vor, könne Frontex eigenständig an den Außengrenzen der EU tätig werden – auch ohne die Zustimmung des betroffenen Staats. Das greift in die nationale Souveränität der EU-Staaten ein, deshalb ist der Vorschlag sehr umstritten. Merkel will sich trotzdem dafür einsetzen. Nach dem bisherigen Entwurf beträfe das deutsche Grenzen auch nicht.
Und obwohl Merkel eine ganze Liste an Fragen abarbeitete, blieb vieles ungesagt. „Warum exportieren wir Waffen in alle Welt?“, fragte Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Linksfraktion. „Werben Sie für eine Allianz gegen Krieg!“
Thomas Oppermann, Fraktionsvorsitzender der SPD, arbeitete sich am Zuspruch für populistische Strömungen ab. An der neuen polnischen Regierung beispielsweise, die gleich zu Beginn ihrer Regierungszeit die europäische Fahne einzog.
Der grüne Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter sieht die Schuld für die europäische Krise auch bei Deutschland: Das europäische Asylverfahren „Dublin III“ sei ungerecht und Deutschland habe es zu lange akzeptiert – weil es zu den Profiteuren gehöre. Merkel, so forderte Hofreiter, solle sich dafür entschuldigen. Die aber war da längst wieder in ein Gespräch vertieft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?