Regierungserklärung in Bayern: Beckstein will mehr Tugend
In seiner ersten Regierungserklärung bemüht Günther Beckstein das ganze Repertoire der Konservativen. Und moniert fehlende Tugenden wie Leistung und Disziplin.
MÜNCHEN taz Es war Zufall aber hatte Symbolkraft: Pünktlich zur ersten Regierungserklärung des neuen Bayern-Chefs Günther Beckstein war der "Biedermeierverein Bad Steben" zur hohen Münchner Politik gereist. Gekleidet in Hauben und Zylindern, Fracks und Röcken standen die zwei Dutzend Trachtler im Bayerischen Landtag - und bildeten den passenden theatralischen Rahmen für Becksteins thematische Schlagrichtung.
Die Regierungserklärung war geprägt von den "Tugenden", die der "erodierenden Gesellschaft" angeblich zunehmend fehlen: Eigenverantwortung, Leistung und Disziplin. Belegt war die Gesellschaftskritik mit umfangreichen und kleinteiligen Beispielen aus Becksteins fränkischer Heimat. "In der S-Bahn begegnen wir immer häufiger Menschen, die laut Musik hören", klagte Beckstein, "die ihre schmutzigen Schuhe auf dem gegenüberliegenden Sitzpolster abstellen und die mutwillig Fenster zerkratzen und Sitze aufschlitzen."
Eigentlich waren Becksteins erste Leitlinien mit Spannung erwartet worden. Würde der 64-Jährige neue Akzente setzen nach 14 reformeifrigen und vor allem wirtschaftsfreundlichen Stoiber-Jahren? Den finanziellen Spielraum hat Bayern jedenfalls, am Dienstag wurde die Steuerschätzung für 2007 und 2008 verkündet: 4,3 Milliarden Euro Überschuss.
Beckstein aber will es allen recht machen. Den Haushältern - zuvorderst seinem "Tandempartner", dem CSU-Chef und Finanzminister Erwin Huber - und vor allem den Wählern, denn im September 2008 sind Landtagswahlen.
200 Millionen Euro aus dem Haushaltsüberschuss sollen zum Schuldentilgen verwendet werden, 400 Millionen werden in eine Rücklage gesteckt. Ansonsten investiert Beckstein in die menschelnden Themen: Tugend, Bildung, Familien, Ausländer und Klimaschutz. Der Betrieb von Kitas wird jährlich mit 600 Millionen Euro unterstützt, 350 Millionen Euro sollen in den kommenden vier Jahren in den Klimaschutz investiert werden, und auch die "Ganztagsschule" - ein neues CSU-Trendthema - soll kommen, irgendwie zumindest. An Grundschulen etwa will Beckstein die Mittagsbetreuung bis vier Uhr nachmittags verlängern.
So viel Kleinklein statt der erhofften modernen Schwerpunktsetzungen bei der Bildung war dann selbst Franz Maget zu viel: "Das ist erbärmlich", wetterte der SPD-Fraktionschef, der im kommenden Herbst Beckstein als Ministerpräsident herausfordern will und eigentlich stets Contenance wahrt. "Das ist ein verlängerter Mittagstisch, das ist Pädagogik der Vorzeit!"
Und selbst Becksteins Vorgänger Edmund Stoiber konnte keinen großen Wurf ausmachen, sondern nur eine Gewichtung hin zum Sozialen. "Ich freue mich über die außerordentliche Kontinuität zu meiner Politik", meinte der froh gelaunte Exministerpräsident und CSU-Übervater, der zum ersten Mal seit seinem Rücktritt ins Parlament gekommen war und dabei gleich zweimal über die ungewohnten Stufen auf seinen Abgeordnetenplatz stolperte. MAX HÄGLER
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