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Regierungschef von Takeshitas Gnaden

Japans designierter Premier Kiich Miyazawas verspricht mehr Liberalität nach außen, aber nicht mehr Transparenz nach innen/ Schon vor seinem Amtsantritt steht ein ambitionierter Nachfolger im Rampenlicht — der ist nur noch nicht alt genug  ■ Aus Tokio Georg Blume

Drei Tage nach seinem 72. Geburtstag hat gestern der versierte Außenpolitiker und ehemalige Top-Bürokrat Kiichi Miyazawa das Rennen um den Vorsitz von Nippons liberal- demokratischer Regierungspartei (LDP) für sich entschieden.

Die stärkste Parteifraktion um den Parteiältesten Shin Kanemaru und Ex-Premier Noboru Takeshita beschloß am Freitag in Tokio einstimmig, Miyazawas Kandidatur für den Parteivorsitz zu unterstützen. Gemeinsam mit den Stimmen seiner eigenen Fraktion versammelt Miyazawa damit bereits heute über die Hälfte der Stimmen der LPD-Parlamentarier auf sich, die letztendlich die Wahl des Partei- und Regierungschefs am 30.Oktober entscheiden.

Mit der Entscheidung für Miyazawa dürften vor allem die Gegner des Nationalismus in Japan Hoffnung schöpfen. Der ehemalige Außen- und Außenhandelsminister Miyazawa hat sich durch seine internationalistisch geprägten Äußerungen über die Lage Japans in der Welt stets auffällig von den übrigen Fraktionsspitzen der LDP abgehoben. Vehement vertrat er in den Debatten über die Remilitarisierung Japans die Gebote der japanischen Friedensverfassung von 1945. Im Gegensatz zu den meisten Politikern seiner Partei grenzte er sich auch deutlich von Japans Vergangenheit ab: „Die Vorkriegsparole ,reiches Land, starke Armee‘ darf nie mehr die Devise unseres Staates sein,“ sagte Miyazawa erst vor kurzem wieder.

Auch als Handelspolitiker war Miyazawa auf Ausgleich — insbesondere mit den USA — bemüht. Handelsbeschränkungsabkommen, wie sie unlängst zwischen Japan und der EG für den Automobilimport nach Europa abgeschlossen wurden, werden mit Sicherheit die Unterstützung des neuen Regierungschefs finden.

Dennoch wird es Miyazawa schwer haben, der japanischen Politik stärkeres Profil zu verleihen. Zwar verfügt Miyazawa im Gegensatz zu seinem Vorgänger Kaifu über eine eigene Fraktion im Parlament, doch der fehlen trotz ihrer 82 Mitglieder die politischen Schwergewichte. Nicht etwa mit einem Siegeszug durch die Parteimitgliederschaft, sondern mit einem Bittgang vor den Parteiältesten Shin Kanemaru gelang Miyazawa der Durchbruch zur Parteispitze. „Was ist das für ein zukünftiger Regierungschef,“ fragte da die empörte Leserin einer Tageszeitung, „der zuvor einen Parteigreis huldigen muß, und von dem nicht einmal mit einer Verbeugung empfangen wird?“

Die zahlreichen unterwürfigen Gesten, die Miyazawa während der vergangenen Tage demonstrieren mußte, gaben ein deutliches Zeichen dafür, daß die Kanemaru/Takeshita- Fraktion auch in Zukunft das Sagen über die japanische Politik behält. Ihre Politiker interessieren sich weit weniger für die internationalen Geschäfte der Nation und schöpfen ihre Macht aus lokalen Hochburgen, deren öffentlichen Geldzufluß sie von Tokio aus kontrollieren.

Besonders ein Mann tat sich unter ihnen in den letzten Tagen hervor: der ehemalige Generalsekretär der Partei und Kanemaru-Schützling Ichiro Ozawa, ein erst 49jähriger Parteiaufsteiger, der nach seinen jüngsten Auftritten schon heute als unumgehbarer Nachfolger Miyazawas gilt. Erst Ozawas Eingriff, so steht inzwischen fest, brachte vergangene Woche Premierminister Kaifu zu Fall. Ozawa wollte offenbar jetzt den Ansprüchen eines Parteiälteren wie Miyazawa nachgeben, um sich selbst für die Zukunft größeren Spielraum zu verschaffen.

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