Regierungsbildung in den USA: Bewerbung erfordert Striptease
Wer sich um ein Amt in der neuen US-Administration bewirbt, muss auch Privates preisgeben. So sollen Lobbying-Aufträge des Personals ausgeschlossen werden.
WASHINGTON taz Während in den USA die Arbeitslosenrate im Licht der Finanzkrise steigt, tat sich zumindest in Washington am Mittwoch ein Megaangebot auf: 8.000 neue Stellen, veröffentlicht von der US-Bundesregierung, die demnächst im Machtzentrum des Landes besetzt werden, wenn die neue Obama-Administration dort einzieht.
Doch wer sich für einen dieser attraktiven oder langweiligen Posten bewerben will, muss bereit sein, alles von sich preiszugeben: Ein siebenseitiges Formular mit 63 Fragen fordert Angaben nicht nur zur Qualifikation, sondern zu Ehepartnern, Kindern, Waffenbesitz, Facebook-Seiten, kompromittierenden E-Mails, Knöllchen und früheren Blog-Einträgen. Kurz: Das Obama-Übergangsteam treibt die Vorsicht auf die Spitze. Dahinter steckt der fragwürdige Versuch gemäß Barack Obamas Wahlversprechen, versteckte Interessen und Lobbyingaufträge seines neuen Personalstabs auszuschließen. Auch andere erste Schritte des neuen US-Präsidenten, den eine entschlossene Nation vor knapp anderthalb Wochen mit einem starken Mandat zum Wandel ausgestattet hatte, werden kritisch beäugt. Allen voran seine Stück für Stück in die Öffentlichkeit dringenden Personalentscheidungen.
Angesichts der Wirtschaftskrise und der beiden erfolglosen Kriege ist der Druck der Erwartungen, der auf der neuen Administration lastet, gigantisch, und der neue Präsident kann unmöglich das Risiko eingehen, ausschließlich frischen, unerfahrenen Kräften ein On-the-Job-Training anzubieten. Daher sieht sich Obama bei seiner Personalsuche offenbar gezwungen, zunächst mehr auf Kontinuität und weniger auf Wandel zu setzen.
Neben Personal aus der Clinton-Administration, wie dem Clinton-Finanzminister Larry Summers, soll Obama auf mindestens drei Restposten der noch amtierenden republikanischen Administration zurückgreifen müssen, glaubt man Washingtoner Insiderkreisen. Da wäre Ben Bernanke, Republikaner und früherer Vorsitzender von Bushs Wirtschaftsrat, der gegenwärtig die US-Zentralbank leitet. Und da wäre Admiral Michael Mullen, der vor einem Jahr zum Stabschef des US-Militärs avancierte und dies bis Ende 2009 kommandieren wird. Er wurde ernannt von Verteidigungsminister Rob Gates, den Obama ebenfalls behalten dürfte. Mullen ist wie Obama der Ansicht, dass sich die USA mehr auf Afghanistan konzentrieren müssen. Anders als Obama ist er jedoch nicht dafür, für Irak konkrete Rückzugsdaten zu nennen geschweige denn, den Irakkrieg als falschen Krieg zu bezeichnen.
Heikler wird es beim Thema der nationalen Sicherheit. Dieses galt im Wahlkampf als Obamas schwächste Seite, hier vertrauen ihm die US-Bürger am wenigstens. US-Medien spekulieren, dass Obama zunächst FBI-Direktor Robert S. Mueller im Amt belassen wird - eine Personalie, die angesichts der von Obama selbst heftig kritisierten Antiterrorpolitik Bushs für Unmut sorgen dürfte. Unterdessen haben die Demokraten im Kongress deutlich gemacht, dass sie nicht willens sind, den Direktor der National Intelligence, Mike McConell sowie CIA-Direktor, Michael V. Hayden, weiter zu tolerieren. Beide haben die heftig umstrittene und von Obama verurteilte Folterpraxis der US-Geheimdienste mitgetragen sowie die Überwachung in- und ausländischer Telefonleitungen befürwortet. Einflussreiche konservative Politiker in Washington sind allerdings dafür, in Kriegszeiten erfahrene und bewährte Geheimdienstler im Amt zu belassen.
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