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Regierung zu Afghanistan-StrategieSoldaten sollen sich zeigen

Kurz vor der Londoner Afghanistan-Konferenz beschließt die Bundesregierung ihr Konzept: Sie will mehr deutsche Soldaten nach Afghanistan schicken und gleichzeitig den zivilen Wiederaufbau stärken.

Bundeswehrsoldaten nahe Kundus. Bild: dpa

BERLIN afp/dpa/apn | Die Bundesregierung hat sich unmittelbar vor der Londoner Afghanistan-Konferenz auf ein Gesamtkonzept für die Region verständigt. Entwicklungsminister Dirk Niebel bestätigte am Dienstag nach der nächtlichen Spitzenrunde im Kanzleramt, dass die deutschen Truppen in Afghanistan aufgestockt werden sollen, wollte aber noch keine Zahlen nennen.

Der Schwerpunkt werde deutlich verlagert werden hin zu zivilen Aufbauleistungen, sagte der FDP-Politiker im ZDF-Morgenmagazin. Zugleich wolle die Bundesregierung bis zum Ende der Legislaturperiode eine Perspektive für den Abzug der deutschen Truppen schaffen.

Niebel bestätigte, dass die Bundeswehr künftig mehr Kontakt zur Bevölkerung suchen soll. Wenn sich die Soldaten in ihren Camps "einigeln" würden, könnten sie die Lebensbedingungen der Menschen nicht verbessern, betonte er. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte am Montag gesagt, die Soldaten sollten mehr "Präsenz in der Fläche" zeigen.

Merkel erklärte am Montag, dass es ein "Gesamtpaket" von zivilem Wiederaufbau, Ausbildung von Polizisten und Soldaten sowie "notwendigen militärischen Aktivitäten" geben werde. Laut Medienberichten soll das Bundeswehrkontingent um 500 bis 1000 Soldaten aufgestockt werden. Demnach soll die Truppe direkt um 500 Mann verstärkt werden. Zudem soll eine "Reserve" gebildet werden, die ebenfalls 500 Soldaten umfassen könnte. Derzeit liegt die Obergrenze für das deutsche Kontingent bei 4500 Soldaten.

Nach dem Ministertreffen im Kanzleramt am Montagabend will Merkel das Konzept am Dienstagvormittag den Spitzen der im Bundestag vertretenen Parteien erläutern. Am Donnerstag soll Außenminister Guido Westerwelle das Konzept der Afghanistan-Konferenz in London vorlegen.

Westerwelle legte Wert darauf, dass es in London "keine Blankozusagen" gibt. Über die Aufstockung der deutschen Truppen hatte es in den vergangenen Wochen Differenzen zwischen Westerwelle und Verteidigungsminister zu Guttenberg gegeben. Während Guttenberg sich eine Aufstockung der im Bundestagsmandat festgelegten Mandatsobergrenze von 4.500 um bis zu 1.500 Soldaten vorstellen konnte, drohte Westerwelle zwischenzeitlich sogar mit einem Boykott der Londoner Konferenz, falls sie zur reinen Truppenstellerkonferenz verkommen sollte.

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3 Kommentare

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  • G
    GonZoo

    Warum sollte der allumfassende Irrwitz, den Merkels chaotische Regierung in der Innenpolitik produziert, nicht auch im Ausland voll daneben gehen? Wir führen gegen den Willen der Mehrheit der deutschen Bevölkerung Krieg und die Regierung verkauft eine Truppenaufstockung als Abzugsvorbereitung - führt George Orwell dort Regie?

     

    Aber immerhin, nun haben wir auch eine "Taliban-Abwrackprämie". Die wird bestimmt ein Renner:

     

    "Hey, hast Du auch von den bekloppten Deutschen Geld für bessere Waffen bekommen..?" "Klar, die haben mir jeden Unsinn geglaubt. Bei denen in Deutschland funktioniert die Politik auch so, eine Menge Leute glauben jeden Unsinn..."

  • GH
    G. H. Pohl

    Die deutsche „Politik“ gibt sich wie immer: stümperhaft, taktierend und letztlich verantwortungslos, immer im Blick, daß niemand Stühle ansägen kann.

    Sie schickt Soldaten mit undefinierter Rechtslage und geradezu blödsinnigen Handlungsanweisungen in für sie lebensgefährliche Einsätze, sie haben die Mängel zu ertragen und ihnen wird bei „Bedarf“ dann von selbsternannten Wahrheitsinhabern gezeigt was Recht und Unrecht ist.

    Sachverhalte sollte man sehen:

    • Politiker, die Menschen in Einsätze schicken, sollten dies verantwortungsvoll tun. Die bundesdeutschen Politiker lassen dies größtenteils vermissen. Elende Taktierungen nach dem „wasch mich aber mach mich nicht naß“ – Prinzip zusammen mit an den Haaren herbei gezogenen juristischen Argumentationen muß die Bundeswehr verkraften und machen wirkungsvolle und nützliche Einsätze geradezu unmöglich. Scheint diesen Ahnungs- und/oder Gewissenlosen ziemlich schnuppe. Man sitzt gut bezahlt auf dem warmen Bürostuhl und will dies auch möglichst lange so erhalten. Bundeswehr im Einsatz stört da nur.

    • Die Soldaten, die Pflichtgemäß ihren Einsatz durchführen, die Afghanen und sich selbst schützen. Da ist nur wenig Raum zum Taktieren. Da geht es um eigene Leben und dann um das der Anderen, auch und besonders eben der Afghanen in einer asymmetrischen Auseinandersetzung, in der einerseits Soldaten als solche kenntlich sind und jenen, die als Bauern oder Sonstwas getarnt, sich Ort, Art und Umfang kriegerischer Handlungen aussuchen, Frauen und Kinder als Schutzschilde mißbrauchen.

    • Da sind die Politiker/innen, echte und selbsternannte Richter und Rechts- und Staatsanwälte, die je nach Mutmaßungen, Kenntnisstand und Interessen ihre „Urteile“ abgeben. Leute, die Anderen nur deshalb nicht zustimmen, weil sie einer anderen Partei angehören und weiterhin nach parlamentarischen Mehrheiten schielen um ihr Pöstchen zu sichern. Ein Albtraum für Einsatzkräfte!

    • Auch die Judikative muß sich fragen lassen, was sie unternommen hat, um die seit Jahren unzureichenden rechtlichen Grundlagen von der Politik zu verlangen.

    Ja, wie schön bequem ist es dann, wenn man sich einen oder mehrere Soldaten ausguckt, der dann die Suppe auslöffeln muß. Professionalismus und Fairneß sind – wie im richtigen Leben – mal wieder nicht vorgesehen. Da stört auch das schlechte Ansehen der Bundeswehr bei Verbündeten nicht.

  • H
    Hohenzoller

    Es ist verantwortungslos vom VM zu Guttemberg, unsere Soldaten ohne entsprechende rules of engagement und ohne richtige gepanzerte Fahrzeuge "in die Fläche" zu schicken.

    Die Taliban werden sich freuen, deutsche Soldaten und ihre afghanischen Partner in ungeschützten Lehmhütten nächtens zu massakrieren.