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■ Regierung Sri Lankas sucht eine militärische EntscheidungEin zweites Vietnam

Man kann es der Regierung in Colombo nicht übelnehmen: Nach zwölf Jahren eines erbitterten Kleinkriegs und vielen gebrochenen Feuereinstellungen sucht die Armee eine militärische Entscheidung gegen die Guerillas der Tamil-Tiger. Der Beschluß, mit einer Großoffensive ins Tamilen-Herzland der Halbinsel vorzustoßen, wurde gefällt, weil alle bisherigen Versuche versagt haben. Weder ein Kleinkrieg ohne klare Fronten noch eine wirtschaftliche Abschnürung haben das Land einem Frieden zwischen den ethnischen Gruppen nähergebracht – auch nicht eine Kombination von politischen Zugständnissen und Kommandoaktionen.

Das Resultat war vielmehr eine zunehmende Polarisierung zwischen der singalesischen Mehrheit und der tamilischen Minderheit. Und weil es ein nicht deklarierter Krieg ist, wurde daraus, je länger er dauerte, immer mehr ein dreckiger Krieg. Er warf alle Regeln einer „humanen Kriegsführung“ über den Haufen und machte die Zivilbevölkerung des Landes zum Opfer beider Seiten.

Dennoch muß man sich fragen, ob die gegenwärtige Kampagne mehr ist als das Produkt einer wachsenden Frustration und Verzweiflung. Zwar ist die Armee mit ihrer schweren Artillerie unter Unterstützung aus der Luft den Tigern überlegen. Aber jedes Dorf, das die Militärs nach ausgedehnten Flächenbombardierungen einnehmen, ist leer. Die Menschen sind geflohen, die Tamil-Tiger haben ihre Toten und Verwundeten mitgenommen. Allmählich wird diese Bevölkerung aber wieder zurückkehren, und dann wird die Stunde der Guerillas schlagen: Als Zivilisten, nur mit ihren Hüfttüchern bekleidet, werden diese jungen Frauen und Männer wiederkommen, nach einiger Zeit ihre Waffenverstecke aufsuchen und den Kampf aus dem Untergrund fortsetzen.

Die Tamil-Tiger sind als Guerillagruppe groß geworden, sie haben diese Rolle nie aufgegeben. Reisende aus dem Norden berichten in Colombo, daß die Guerilla ihr Hauptquartier bereits in den dichten Dschungel von Vanni im Süden Jafnas verlegt hat, wo sie über ein weitverzweigtes Kommunikationsnetz verfügt. Die srilankische Armee läuft Gefahr, ein zweites Vietnam zu erleben: den Feind im offenen Feld zu schlagen und den Krieg dennoch zu verlieren. Bernard Imhasly

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