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Wir lassen weinenRegen im Cabriolet

■ Vorzeige-Alternativkicker Jens Todt nimmt Abschied vom SC Freiburg

Der Südbadener an sich ist keiner, der Gefühlsduseligkeit so ohne weiteres aus sich selbst heraus erzeugen kann. Klaus Köhn, langgedienter Stadionsprecher beim Sport-Club Freiburg, weiß das. Und er hatte sich bestens präpariert: Mit vollen Dröhnungen Kölscher Sentimentalität vor und nach der Partie gegen Leverkusen sorgte der Mann am Stadionmikrophon für ein prächtiges Kitschfinale: So ausdauernd schmachtete die Black-Föös-Niedecken-Trude- Herr-Connection („niemals geht man so ganz, irgendwas von dir bleibt hier“), daß zum Schluß wirklich kein Freiburger Auge mehr trocken bleiben wollte. Abschied für Jens Todt, „den Käpt'n mit dem Kämpferherz, den Pendler zwischen den Strafräumen, dessen Name untrennbar mit dem Freiburger Fußballwunder verbunden ist“ (Köhn).

Selbst der niedersächsische Kantenschädel hatte, wie Augenzeugen hernach glaubwürdig versicherten, angesichts so viel herz-schmerzender Liebesbezeugungen mit den eigenen Wassern zu kämpfen. Mit gutem Grund: Schließlich hat er in seinen fünf Freiburger Jahren eindrucksvoll bewiesen, daß man es auch als „abgebrochener“ Philosophiestudent zu etwas bringen kann. Was um so bemerkenswerter ist, weil Todt auf dem Fußballplatz ein eher ungehobelter Klotz ist. Weil Jens Todt nicht auf den Kopf gefallen ist, hat er sich dem Klischee von der alternativen Kicktruppe („was uns von anderen Teams unterscheidet, ist allein, daß wir kein dezidiertes Arschloch in der Mannschaft haben“) in Freiburg immer hartnäckig widersetzt – und ihm damit natürlich kräftig zugearbeitet.

Den Lesern des Szene-Fanzines Fanman gilt der Mann mit dem Dalton-Kinn (zusammen mit Uwe Spies) immer noch als der beliebteste Kicker in der Grünen-Hochburg Freiburg. Daß er als erster Spieler aus dem Finke-Team mit Bertis Buben die Nationalhymne schmetterte („damit habe ich keine Probleme“), hat dem sowenig Abbruch getan wie das durch die Vermittlung von Andy Möller erstandene Saab-Cabriolet. „Kann über den Tellerrand gucken“, hat Trainer Finke, bei dem Todt einst in Nienburg an der Weser sein Abitur absolvierte, seinem Zögling attestiert.

Und über die Fleischtöpfe der Liga? „Natürlich hat das Geld eine Rolle gespielt“, sagt Todt über seinen Wechsel zu Werder Bremen, wo er künftig eine knappe Million im Jahr verdienen soll. Dafür wird es ihm öfter ins offene Verdeck des Sportwagens regnen. Aber auch in Freiburg, weiß Todt, „wird es nie mehr so sein, wie es einmal war“. Und davor, daß er von den Abschiedstränen in die Werderaner Traufe gerät, ist ihm nicht bange. Auch wenn er überzeugt ist: „Es hat schon seinen Grund, daß viele Spieler, die hier weggegangen sind, sagen: In Freiburg war es am schönsten.“

Seine Abschiedsfeier gibt Jens Todt nächste Woche standesgemäß: Eine Freiburger Innenstadt-Disco ist angemietet. Seine Einladungskärtchen hat der Spaßvogel Jens Todt als Todesanzeige gestaltet. Uli Fuchs

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