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Regeln sind zum Brechen da

■ Neu im Kino: Die Komödie „Belle Epoque“, in der man u.a. sehen kann, daß Fernando Trueba der bessere Almodovar ist

In schönen Zeiten hat man gut lachen, und Regeln sind zum Brechen da! Auf diesen Maximen basieren viele vergnügliche Komödien. Essen, Trinken, die Sonne und die Feste werden da so kulinarisch in Szene gesetzt, daß einem das Wasser im Munde zusammenläuft. Von Max Linder über den frühen Jacques Tati bis zu Louis Malles „Komödie im Mai“ haben die Franzosen fast ein Monopol auf dieses Genre, und „Belle Epoque“ ist ja auch nicht zufällig ein französischer Titel für einen spanischen Film.

Regisseur Fernando Trueba zeichnet in dieser Gesellschaftskomödie das liebevolle Portrait einer großbürgerlichen Familie im Spanien am Anfang der dreißiger Jahre. Weil diese Welt noch so geordnet und heil ist, wirken die Verstöße gegen die Etikette um so komischer: Ein netter Deserteur schläft nacheinander mit allen vier schönen Töchtern das Hauses; der Hausherr muß den eifersüchtigen Liebhaber seiner Frau trösten und ihm geduldig erklären, daß er, der Hausherr, die Hörner trage und nicht umgekehrt; und ein Gutsherr will sich exkommunizieren lassen und grölt anarchistische Lieder, nur um sich von seiner tyrannischen Mutter zu befreien.

Die Filmfiguren entsprechen scheinbar ganz den Klischees der Boulevardkomödien: tumber Reicher, verfressener Priester, über-spannte Operndiva, Töchter auf Männerfang usw., aber sie alle machen genau das, was man am wenigsten von ihnen erwartet, und sie tun es sehr sympathisch und komisch. Eine der Töchter etwa wäre eigentlich lieber ein Mann, und so wechselt sie eben die Rollen, steckt den naiven Deserteur in Frauenkleider und vernascht ihn.

Auch wenn Trueba ganz konventionell und altmodisch daherkommt, hat er einen ähnlich libertären Esprit wie Almodovar in seinen besseren Filmen. Eine sehr kultivierte, sinnliche und menschenfreundliche Grundstimmung macht „Belle Epoque“ zu einem durchgehend angenehmen Kinoerlebnis. Nach den Verwicklungen um Liebe, Religion und Republik treffen sich alle immer wieder am Tisch, und auch das Publikum weiß, warum: Dieser Film macht hungrig !

Wilfried Hippen

Filmstudio 18.00 und 20.30 Uhr

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