Reform I: Schluss mit der Teilzeitlüge
Der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland (SPD), will ein Vollzeitparlament. Die CDU ist skeptisch.
Aus dem Abgeordnetenhaus, derzeit offiziell ein Teilzeitparlament, soll ein Vollzeitparlament werden. Dafür spricht sich Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) im taz-Interview aus. „Ich bin dafür, eine Parlamentsreform zu diskutieren, die als Ziel ein Vollzeitparlament wie in anderen Bundesländern hat“, sagte Wieland. Die Arbeitsbelastung sei zu groß geworden. Weniger, aber besser bezahlte Parlamentarier sollen die Regierung effektiver kontrollieren können. Wieland denkt an 100 statt derzeit regulär 130 Abgeordnete, die jeweils statt 3.369 künftig etwa 5.000 Euro verdienen. Unter den fünf Fraktionen zeigt sich nur die CDU skeptisch. Auch sie will aber offen für eine Diskussion sein.
Eine Reform des Landesparlaments ist seit Jahren immer mal wieder Thema, kommt aber nicht voran. Anders als früher spricht sich nun aber der Präsident des Abgeordnetenhauses selbst dafür aus. Wieland hat im Herbst 2011 nach der Abgeordnetenhauswahl seinen Parteifreund Walter Momper abgelöst, der zehn Jahre amtierte und ein Anhänger des Teilzeitparlaments war. Momper hatte argumentiert, dass eine parallele Berufstätigkeit die Bodenhaftung der Abgeordneten sichere. Für Wieland ist das nur noch eine Fiktion: „Ich persönlich habe die Haltung, dass wir uns ehrlich machen und sagen sollten, dass das nicht mehr stimmt mit dem Teilzeitparlament.“
Vor allem die drei Oppositionsfraktionen unterstützen den Reformgedanken. „Viele bei uns gehen nicht nach einem halben Tag nach Hause“, sagte die Sprecherin der Linksfraktion, Kathi Seefeld. Die große Belastung sei vor allem in den Ausschüssen zu spüren. „Das erschwert natürlich die parlamentarische Kontrolle des Senats“, so Seefeld.
Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop sieht das ähnlich: „Die Ausstattung des Parlaments gegenüber der Regierung ist völlig aus dem Gleichgewicht geraten.“ Zu besseren Kontrollmöglichkeiten gehören für Pop auch mehr Mitarbeiter. Derzeit stehen jedem Abgeordneten dafür monatlich nur 580 Euro zur Verfügung. Im Bundestag hingegen kann jeder Parlamentarier für Mitarbeiter im Monat 15.000 Euro ausgeben – 30-mal so viel wie im Abgeordnetenhaus.
Für Pop ist die logische Folge eines besser bezahlten und damit teureren Vollzeitparlaments, dass es kleiner sein müsse als das jetzige. Auch die Piraten unterstützen eine Änderung.
Reformbedarf hatte schon im Juli der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Torsten Schneider, gesehen: „Die Abgeordneten stoßen seit langem an ihre Grenzen. Deshalb ist das Halbtagsparlament eine Fiktion.“ Zuvor hatte sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der selbst bei der Wahl 2011 keinen Parlamentssitz gewinnen konnte, für ein Vollzeitparlament ausgesprochen. Nur wenige Abgeordnete seien noch in der Lage, ihren Beruf und die parlamentarische Arbeit miteinander zu vereinbaren, so sein Argument.
Befürworter einer Verkleinerung weisen darauf hin, dass Berlin gemessen an seinen 3,5 Millionen Einwohnern eines der größten Parlamente habe, obwohl die Wege in der Stadt weit kürzer sind als in Flächenländern. Während in Berlin derzeit 149 Abgeordnete – regulär 130 plus 19 Ausgleichs- und Überhangmandate – 3,5 Millionen Bürger vertreten, sind es in Rheinland-Pfalz nur 101 Abgeordnete bei 3,9 Millionen Einwohnern. In Brandenburg kommen auf 88 Abgeordnete 2,5 Millionen Bürger.
Große Skepsis kommt allein von der CDU-Fraktion. Dort gilt es als ein Plus, nicht allein auf die Politik angewiesen zu sein. Bei den Christdemokraten befürchtet man auch, an Bürgernähe zu verlieren, wenn das Parlament kleiner und jeder Wahlkreis dadurch größer wird. Ein Veto soll das aber nicht sein. Man sei für eine Diskussion offen, sagt ihr parlamentarischer Geschäftsführer Heiko Melzer.
Die Haltung seiner Partei ist entscheidend. Auch wenn die anderen vier Fraktionen eine Reform unterstützen und damit eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit sicher wäre – ohne die Christdemokraten geht es nicht. Denn SPD und CDU haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verpflichtet, nicht gegeneinander zu stimmen.
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