Referendum: Thailand bekommt neue Verfassung
Ein Jahr nach dem Putsch hat sich die Mehrheit der Bürger für eine neue Verfassung entschieden. Doch von Stabilität ist das Land noch weit entfernt.
Mit massiven Imagekampagnen hatte Thailands Militärführung wochenlang versucht, so viele Bürger wie möglich zum Urnengang zu bewegen. Offenbar mit begrenztem Erfolg: Die Beteiligung am ersten landesweiten Referendum lag bei nur 57,6 Prozent der 45 Millionen Wahlberechtigten. Doch 58 Prozent von ihnen stimmten für den Entwurf, den ein von der Armee ernanntes Komitee im Juli vorgelegt hatte.
Offiziell ebnet dessen Annahme den Weg zu Neuwahlen, nachdem bereits vor wenigen Tagen das Gründungsverbot für neue politische Parteien aufgehoben worden war. Die Wahlen würden nun "definitiv" im Dezember stattfinden, so Thailands Übergangspremier Surayud Chulanont. Die Wahlkommission gab gestern bekannt, dass der Wahltermin zwischen dem 16. und 23. Dezember liegen werde.
Nicht nur das schlechte Wetter dürfte viele Thais vom Gang zum Wahllokal abgehalten haben. Politische Stabilität garantiert die neue Verfassung noch lange nicht. Das Ergebnis des Referendums spiegelt vielmehr die politische Zerrissenheit des Landes wider: Während sich die Menschen in der Hauptstadt Bangkok, in Zentralthailand sowie im Süden mit teils deutlicher Mehrheit für den Entwurf ausgesprochen haben, lehnten die Bewohner des armen, bevölkerungsreichen Nordostens diesen mit 62 Prozent der Stimmen ab.
Auch im Norden Thailands gab es ein starkes Votum gegen das militärgestützte Referendum. Der Grund: Nordosten und Norden galten als Hochburgen der mittlerweile aufgelösten Partei "Thais lieben Thais" des vom Militär entmachteten und von Thailands Behörden inzwischen per Haftbefehl gesuchten Expremiers Thaksin Shinawatra. Gegen Thaksin waren Anfang 2006 massive Korruptionsvorwürfe erhoben worden, nachdem seine Familie den von ihm gegründeten Telekommunikationskonzern Shin Corp steuerfrei für 1,6 Milliarden Euro an die Temasek-Holding in Singapur verkauft hatte.
Allgemein gilt der neue Entwurf als "Anti-Thaksin-Verfassung": Eine "Ein-Parteien-Regierung", wie es sie zuletzt unter dem entmachteten Premier gab, soll es künftig nicht mehr geben. Stattdessen werden wieder Koalitionsbündnisse das Land regieren, von denen sich viele in der Vergangenheit allerdings als ziemlich instabil erwiesen hatten. Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen, die sowohl als Kritiker Thaksins als auch der Junta bekannt sind, hatten ebenfalls gefordert, das Volk solle mit "Nein" zu stimmen. Das Referendum sei Resultat des Coups vom September 2006 und daher undemokratisch, moniert der Politikwissenschaftler Giles Ungpakorn von Bangkoks Chulalongkorn-Universität.
Unter anderem legt die neue Verfassung fest, dass fast die Hälfte des Senats von einem Komitee aus Rechtsexperten und Technokraten bestimmt werden soll, anstatt vom Volk gewählt zu werden. Ein Teil der Parlamentssitze ist für Angehörige des Militärs und der Aristokratie reserviert. Somit haben wieder die alten Eliten das Sagen. Befürchtet wird weiter, die Junta könne zudem den umstrittenen, derzeit noch anhängigen "Nationalen Sicherheitsakt" durchdrücken. Dieser würde es dem Armeechef erlauben, das Kriegsrecht zu verhängen, und so die Befugnisse des Regierungschefs aushebeln.
Nach außen hin gab sich der Chef des "Rates für Nationale Sicherheit" gestern unbeeindruckt vom starken Gegenvotum: "Ich gebe nichts auf Zahlen. Dies ist ein Sieg im demokratischen Prozess", erklärte General Sonthi Boonyaratkalin, der mit dem Gedanken spielt, in die Politik zu gehen. Doch Beobachter werten die Lage anders: Diese Wahl zeige, dass sich die Polarisierung innerhalb Thailands festgesetzt habe, meint Thitinan Pongsudhirak von Thailands Institute of Security and International Studies. Prinya Thaewanarumitkul, Rechtsexperte an Bangkoks Thammasat-Universität, bezeichnete den Wahlausgang als "Mahnung an die Putschisten, die Minderheit zu achten". Dieses Gegengewicht sei gut für Thailands Politik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!