Reduzierter Mehrwertsteuersatz: Keine Ausnahme für Alkohol
Wie hoch ist die Mehrwertsteuer hier noch mal? Die Antwort wird nicht leichter: Brüssel will mehr Ermäßigungen zulassen. Die Umsetzung ist aber Ländersache.
Es dürfte demnächst komplizierter werden, die Restaurantrechnung bei Auslandsreisen nachzuprüfen. Denn die EU-Kommission will reduzierte Mehrwertsteuersätze für Speisen und alkoholfreie Getränke in Gaststätten EU-weit erlauben, für alkoholische Getränke aber nicht. "In elf Mitgliedstaaten ist das doch schon heute so, ohne dass es damit Probleme gäbe", wiegelt der für Steuern zuständige ungarische EU-Kommissar László Kovács ab. Es könne nicht angehen, dass man im Laden mindestens 15 Prozent Mehrwertsteueraufschlag zahle, im Lokal aber nur 5 Prozent. "Langfristig möchten wir in allen Mitgliedstaaten gleiche Marktbedingungen schaffen."
Doch genau das lässt sich mit dem gestern vorgelegten Überarbeitungsvorschlag für die Mehrwertsteuerrichtlinie ganz sicher nicht erreichen. Sie will den Flickenteppich aus nationalen Sonderregelungen, der derzeit gilt, zwar abschaffen. Dafür sollen reduzierte Mehrwertsteuersätze von mindestens 5 Prozent EU-weit für "arbeitsintensive und lokal erbrachte Dienstleistungen" möglich sein - dazu zählen etwa Wäschereien, Restaurants, Friseure oder Wohnungsrenovierungen. Die normale Mehrwertsteuer soll auch in Zukunft mindestens 15 Prozent betragen.
Frankreichs Forderung, Restaurants einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz zu erlauben, wie er schon in Griechenland oder Slowenien gilt, wäre damit zwar erfüllt. Einheitliche Marktbedingungen gäbe es aber erst, wenn der reduzierte Mehrwertsteuersatz in allen 27 Mitgliedstaaten für die gleichen Dienstleistungen gelten würde.
Doch es bleibt den nationalen Finanzministern überlassen, ob sie nur einige oder alle Produkte der neuen EU-Liste der mehrwertsteuerreduzierten Produkte übernehmen wollen. Die ist schließlich lang: Sie umfasst Arzneimittel, medizinische Geräte und ärztliche Behandlung, Kindersitze, Buchporti, journalistische und künstlerische Arbeit, Wohnungsbau und Renovierungen, Gaststättengewerbe, Müllabfuhr, Gartenpflege und kleine Reparaturen, häusliche Pflege, Schönheitspflege und Bestattungen.
Die Liste wirkt auf den ersten Blick recht willkürlich und wird mit Sicherheit zu neuen Debatten unter den Finanzministern führen. Die EU-Staaten entscheiden nämlich in Steuerfragen einstimmig. Immer wieder haben Wünsche von Mitgliedstaaten, weitere Branchen von den Mindestsätzen für die Mehrwertsteuer ausnehmen zu können, zu teils heftigen Auseinandersetzungen in der EU geführt. So hat sich etwa Deutschland gegen die von Frankreich geforderte Senkung der Mehrwertsteuersätze für Gaststätten und Restaurants von derzeit 19,6 Prozent auf 5,5 Prozent gesperrt.
Dabei hat die EU-Kommission den eigentlich umstrittenen Teil, in dem es um reduzierte Mehrwertsteuer für ökologische und energiesparende Produkte und Dienstleistungen geht, auf Herbst vertagt. Zunächst müssten die vier aufwändigen Wirkungsstudien hierzu abgeschlossen sein, erklärte Kommissar Kovács gestern. Sie sollen klären, ob reduzierte Mehrwertsteuersätze überhaupt Einfluss auf das Konsumverhalten haben und so zu umweltbewussterem Kaufverhalten beitragen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!