: Rede positiv vom Bier
■ Fragen an Anne Kuhlmann, Expertin für den richtigen Benimm, zum Small Talk
Zum Beispiel Ausstellungseröffnungen. Unser Tip: Schnittchen kauen, am Sekt nippen, und am besten eine Freundin dabeihaben, denn das Unheil droht von allen Seiten. Let's talk small everybody. Anne Kuhlmann, e Trainerin für zeitgemäße Umgangsformen aus Bremen, gibt dazu Impulse.
taz: Was rede ich bei einer Vernissage zu Interaktiver Videokunst mit Henning Scherf?
Anne Kuhlmann: Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Es ist nämlich so: Wenn man von den jeweiligen Themen, die einen herzlich wenig interessieren, keine Ahnung hat, versucht man immer, ein anderes Thema für sich zu wählen. Ein Thema, in dem man sich sicher fühlt. Das ist die Grundform des Small Talk. Sie sollten also versuchen, herauszufinden, wofür sich Ihr Gegenüber interessiert: Herr Scherf, sagen Sie mal, haben Sie Ahnung von diesen Dingen? Wie finden Sie das? Was sagen Sie aus dem Bauch? Alles Aufgesetzte wirkt erstens lächerlich, und zweitens drückt man den anderen an die Wand. Small Talk hat etwas mit Leichtigkeit zu tun, Small Talk ist eine interessante Form von Blabla.
Also spreche ich mit Herrn Scherf übers Radfahren.
Ja, prima.
Die meisten reden aber eher gestelzt daher.
(Seufzt)Die Armen. Das liegt daran, daß die Menschen meinen, sie müßten etwas Schlaues sagen. Sie sind nicht authentisch. Und das hat etwas damit zu tun, daß man meint, man müßte überall dabei sein. Ich muß mich schon fragen, ob ich dahin nur deswegen dahin gehe, um gesehen zu werden. Und dann würde ich, verdammt noch mal, aber so eitel sein, daß ich mich selber präsentieren würde und sagen würde: Tut mir leid, aber ich hab null Ahnung davon. Es interessiert mich halt. Fertig.
Haben Sie Mitleid mit denen, die hingehen müssen?
Na ja, die wissen ja, was auf sie zukommt, wenn sie bestimmte Ämter bekleiden wollen. Sie sollten sich vielleicht mehr im Small Talk vorbereiten, sich allgemeine Themen überlegen, aber bitte nicht Krankheit, Geld oder Politik !
Übers Wetter.
Das Wetter ist ein schönes Thema! Vor allem relativ kurz zu handhaben. Also ich biete immer die Dinge der Tageszeitung an. Ich empfehle die morgendliche Zeitungslektüre, aber nicht nur die negativen Nachrichten! Sport zum Beispiel ist auch eine nette Nebensache. Aber bitte erzählen Sie einem Jäger nichts vom Segeln, das ist wahnsinnig langweilig. Anbieten kann ich auch Kochkünste. Aber bitte nicht auf der Angeberlinie: Ja, also, ich war mit meinem Mann da und da essen, und das war hervorragend!!! Und dieser Wein ausgezeichnet!!! Und der andere steht da und trinkt nur Bier.
Aber wie komme ich von Interaktiver Videokunst zum Kochen?
Sie dürfen sich nicht hinstellen und sagen: Ich koche gerne, was tun Sie denn gerne? Eine elegante Gesprächsführung ist wichtig. Erstmal einleitende Worte, weswegen man überhaupt gekommen ist – am besten immer über Positives, positiv denken! – und dann kann man mit geschickter Wortwahl vom Interaktiven aufs Kochen kommen.
Widerworte sind Todsünden?
Die sind schon erlaubt. Aber Small Talk will Lässigkeit und Kurzweil. Keine Positions- und Machtkämpfe, Auseinandersetzungen und tiefgründigen Gespräche. Small Talk ist anspruchslos.
Manchmal sage ich lieber gar nichts.
Dann lassen Sie's. Dann gehören Sie in die Kategorie der Schweiger. Das ist eine andere Form des Small Talks. Und Sie werden bewertet: Es gibt destruktive, aggressive und gelangweilte Schweiger. Wenn Sie's mit einem schweigenden Small-Talker zu tun haben, versuchen Sie, ihn zu knacken – die haben meistens Interessantes zu sagen.
Und wie knackt man die?
Indem man zum Beispiel die Peinlichkeit ausspricht: Diese ganzen Gehemmten hier – wollen wir so weitermachen, oder lassen wir's jetzt? Oder überlegen Sie sich einen Witz.
Oje. Fragen: Silvia Plahl
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