Rechtssystem in Russland: EU verurteilt Willkür
Das EU-Parlament hat eine Resolution verabschiedet, die die russische Justiz scharf verurteilt. Sanktionen gibt es keine. In Moskau gibt man sich schockiert.
MOSKAU taz | Das EU-Parlament in Straßburg verabschiedete am Donnerstag mit großer Mehrheit eine Resolution, die sich gegen die wachsende Willkür der Rechtsorgane in Russland wendet. Fünf Fraktionen, darunter die der europäischen Grünen, hatten die Resolution eingebracht, die sich in Inhalt und Schärfe des Wortlautes von vorangegangen Mahnungen an Moskaus Adresse noch einmal deutlich abhebt.
In politischen Kreisen Russlands löste die Resolution einen Schock aus. Der Vizevorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Andrej Klimow, sprach von "einer rätselhaften Resolution, die Befremden auslöst". Die EU-Parlamentarier äußerten Besorgnis über zunehmend "politisch motivierte Prozesse", "widerrechtliche Ermittlungen" und die Unfähigkeit der Ordnungsbehörden, schwere Verbrechen aufzuklären. Namentlich werden die Morde an Menschenrechtlern und Journalisten wie Anna Politkowskaja, Natalja Estemirowa, Anastasia Baburowa, und Scharip Auschew genannt, für die bislang niemand zur Verantwortung gezogen wurde.
Auch an den zweiten Prozess gegen den ehemaligen Yukos-Eigentümer und Ex-Oligarchen Michail Chodorkowski wurde erinnert. Das Verfahren hatte wegen eklatanter Rechtsverletzungen weltweit Empörung hervorgerufen. Die gerichtlichen Ermittlungen in den letzten Jahren in Russland zwängen dazu, "an der Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit russischer Gerichte zu zweifeln", hieß es in Straßburg.
Der deutsche Grünenabgeordnete Werner Schulz formulierte es noch schärfer: Der "russische Rechtsstaat ist im Gulaggeblieben", sagte er in Anspielung auf das sowjetische Strafsystem unter Diktator Josif Stalin. Die gelenkte Demokratie gehe in Hand mit einer gelenkten Justiz.
Das EU-Parlament sah jedoch davon ab, konkrete Sanktionen zu fordern. Es erinnerte die Kommission lediglich "an ein ganzes Arsenal entsprechender Maßnahmen", die im Falle systematischer Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen die Suprematie des Rechts zur Verfügung stünden. Vor Strafmaßnahmen haben die Vertreter der politischen Elite in Russland durchaus Manschetten.
Vor allem nachdem gegen die Kollegen in Weißrussland Einreiseverbote verhängt und deren Konten eingefroren worden waren. Viele russische Amtsträger haben Vermögen und Familie längst in Europa angesiedelt. Für alle Fälle, falls sich die Machtverhältnisse in Moskau verändern. Hinter den Moskauer Kulissen sorgt daher schon die Diskussion potentieller Strafmaßnahmen für Unruhe.
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