Rechtsstreit um Bundeswehr-Startplatz: Von Leipzig an den Hindukusch
Der Flughafen Leipzig-Halle ist Startplatz für US- und Bundeswehr-Soldaten auf dem Weg nach Afghanistan. Der Widerstand gegen die vielen Militärflüge hält an.
DRESDEN tazAm Flughafen Leipzig-Halle kämpft nicht nur eine Interessengemeinschaft gegen die 24-Stunden-Betriebsgenehmigung für Frachtflüge. Seit 2006 gibt es am Flughafen nahe dem Autobahnkreuz Schkeuditz auch einen Nato-Stützpunkt. Seine Einrichtung hing maßgeblich mit dem ganztägig möglichen Flugbetrieb zusammen. Seither gewinnt der Airport besonders für Afghanistan-Einsätze der US Air Force und der Bundeswehr immer größere Bedeutung als Umschlagplatz. Die Debatte über den umstrittenen Luftschlag gegen zwei Tanklastzüge bei Kundus in Afghanistan ließ Leipzig verstärkt ins Blickfeld geraten.
Recherchen des MDR ergaben, dass seit 2005 mindestens 650 Bundeswehr-Flüge über den Flughafen abgewickelt wurden. Transportiert werden sowohl Ausrüstungen als auch Soldaten. Dafür werden unter anderem das zivile Terminal, eine eigens angemietete Halle, eine mobile Rampe und ein reaktiviertes Bahngleis genutzt. "Diese Nutzung hat Dimensionen angenommen, die man nicht mehr verharmlosen kann", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Martin Dulig kurz vor Weihnachten in einer Landtagsdebatte. "Sachsen ist mittendrin im Kriegseinsatz", verschärfte Rechtspolitiker Klaus Bartl von der Linken noch.
Der Sächsische Landtag debattierte im Dezember nicht zum ersten Mal über die militärische Nutzung des Flughafens Leipzig-Halle. Vor allem die Linke ist dabei aktiv, aber auch die NPD stellte unter nationalistischen Aspekten eine goße Anfrage. "Inzwischen werden mehr Soldaten als Geschäftsleute bewegt", stellte der Leipziger Linken-Abgeordnete Volker Külow fest, nachdem im April bereits der einmillionste US-Soldat in Leipzig umgestiegen war. Die Landtagsopposition erwartet, dass der Freistaat Sachsen seinen Einfluss als 77-prozentiger Anteilseigner an der Airport-Holding geltend macht. Außerdem müsse Transparenz herrschen.
Im Beteiligungsbericht des Freistaates ist seit 2006 nur noch verschleiernd von "erweiterten Streckenangeboten" und "Sonderverkehr" die Rede. Die SPD will zumindest eine klare bauliche Trennung und ein Sicherheitskonzept. "Es gibt keine illegalen Flüge", erklärte hingegen der zuständige Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) und verwies auf das Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter hatten am 4. November vergangenen Jahres Verfassungsbeschwerden von Anwohnern nicht zur Entscheidung angenommen.
Zur Begründung verwiesen die Karlsruher Richter auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2006. Das hatte die Nachtflugerlaubnis des Freistaats nicht grundsätzlich infrage gestellt und insbesondere die Flüge auf militärische Anforderung im Einklang mit der Betriebserlaubnis gesehen. Minister Morlok sieht außerdem "keinen Handlungsbedarf" hinsichtlich der Betriebsgenehmigung. "Sie wollen den Lebensnerv unserer Region durchtrennen", unterstellte gar der Leipziger CDU-Abgeordnete Rolf Seidel der Opposition, die auf wirtschaftliche Mitzieh-Effekte der Militärnutzung hingewiesen hatte.
Die Expertenmeinungen fallen widersprüchlich aus. In einer Landtagsanhörung Ende April vertrat der Völkerrechtler und Professor an der Universität Leipzig, Markus Kotzur, als Einziger die Auffassung , die Militärflüge stünden mit dem 2+4-Vertrag, dem Völkerrecht und dem UN-Mandat der Afghanistan-Truppen in Einklang. Demgegenüber sieht Elmar Giemulla, Professor für Luftfahrtrecht an der Technischen Universität Berlin, "eklatante Verstöße gegen bestehendes Recht. Leipzig sei nur als ziviler Flughafen genehmigt worden, auf dem "einzelne militärische Flüge" möglich seien.
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