Rechtsstaatsmission im Kosovo: Albin Kurti verhaftet
Polizeikräfte der EU-Rechtsstaatsmission Eulex nehmen den Chef der Bewegung "Selbstbestimmung", Albin Kurti, fest. Grund ist ein Vorfall aus dem Jahr 2007.
Eigentlich sollte am Samstagnachmittag in Prishtina eine Feier stattfinden. Zum fünften Jahrestag der Gründung der Bewegung "Selbstbestimmung" (Vetëvendosje) in Kosovo, die ein wichtiger Teil der dortigen Zivilgesellschaft geworden ist und tausende von jungen Menschen im ganzen Land organisiert.
Als der 35-jährige Albin Kurti, der Kopf der Bewegung, gerade in seinem Büro eine Ansprache zu dem Beschluss der Bewegung, an den kommenden Parlamentswahlen teilzunehmen, halten wollte, umstellten Spezialpolizisten der Rechtsstaatsmission Eulex das Gebäude und begannen, mit Hilfe von Tränengas gewaltsam einzudringen. Dann verhafteten sie Albin Kurti und einige andere Mitstreiter. Es gab auf beiden Seiten Verletzte. Die Bewegung Selbstbestimmung und andere zivilgesellschaftliche Organisationen haben Protestaktionen angekündigt.
Vordergründiger Anlass für die Aktion ist ein Konflikt, der einige Jahre zurück liegt. Am 10. Februar 2007 demonstrierten tausende Anhänger der Bewegung gegen die Politik der UN-Mission. Sie bewarfen das Unmik-Gebäude mit Farbbeuteln und Eiern. Nach Angaben der damaligen UN-Polizei weigerte sich die Menge nach dem Ende der Demonstration auseinanderzugehen. Die Polizei setzte Tränengas und mit Metall ummantelte Geschosse ein. Die Studenten Mon Balaj und Arben Xheladini wurden getötet, 87 Menschen verletzt, sieben davon schwer.
Das Vorgehen der 500 rumänischen, polnischen und ukrainischen Sicherheitskräfte wurde von vielen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International als "unverhältnismäßig hart" verurteilt. Die UN-Mission weigerte sich dennoch, die Verantwortlichen für die Todesschüsse zu bestrafen. Es entwickelte sich ein handfester Skandal. Albin Kurti und einige Mitstreiter dagegen wurden als "Rädelsführer" verhaftet, Kurti nach einem fragwürdigen Prozess für sieben Monate ins Gefängnis geworfen und später unter Hausarrest gestellt.
Die Eulex-Mission geht jetzt wegen des gleichen Delikts von 2007 erneut gegen Kurti vor. Am 14. April sollte er vor Gericht erscheinen. Doch Kurti tauchte unter und Kosovo-Polizisten weigerten sich, ihn festzunehmen. Albin Kurti ist vor allem bei der Jugend in Kosovo zu einer populären Figur geworden. Er kritisiert die Korruption in der herrschenden, von ehemaligen UÇK-Kämpfern durchsetzten Führungsschicht. Er publiziert über die Korruption und Verschwendung in den internationalen Organisationen. Hauptziel seiner Politik ist, rechtsstaatliche Verhältnisse durchzusetzen. Er wendet sich gegen die Art und Weise der Privatisierung im Kosovo, die seiner Meinung nach Korruption hervorbringt. Weiter fordert er eine gerechte Sozial- und Arbeitsgesetzgebung.
Kurti hat eine lange oppositionelle Karriere hinter sich. Der ehemalige strikt für Gewaltlosigkeit eintretende Studentenführer der 90er-Jahre, der mit oppositionellen serbischen Studenten kooperierte, wurde 1999 von der serbischen Polizei verhaftet, von einem Gericht in der südserbischen Stadt Nis zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt und saß bis Dezember 2001 in serbischen Gefängnissen. Proteste und internationale Petitionen führten zu seiner Freilassung.
Er kehrte nach Prishtina zurück und legte sich mit allen möglichen mächtigen Personen an. Er warf den UÇK-Führern Hashim Thaçi und Ramush Haradinaj vor, sich von den internationalen Mächten erpressen zu lassen.
Das Establishment schlug damals zurück. "Jetzt soll er wohl daran gehindert werden, an den für 2011 geplanten Wahlen teilzunehmen", vermuten Freunde in Prishtina.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW