Rechtsstaat unter Donald Trump: Kampf um die Grenzen der Macht in den USA
Gerichte haben etliche der Dekrete von US-Präsident Donald Trump vorläufig gestoppt. Sein Vize J.D. Vance bezweifelt, dass sie das überhaupt dürfen.
![Ein paar Hände auf einem Schreibtisch Ein paar Hände auf einem Schreibtisch](https://taz.de/picture/7525004/14/37593885-1.jpeg)
Neu ist daran nicht, dass Richter*innen die eine oder andere Verordnung eines Präsidenten per einstweiliger Anordnung stoppen und anschließend – womöglich in mehreren Instanzen – in der Sache entschieden wird. Neu ist, dass die Regierung solche gerichtlichen Verfügungen ignoriert und öffentlich anzweifelt, dass Gerichte das überhaupt dürfen.
Jüngstes Beispiel: Der Versuch der Trump-Regierung, per Dekret rund drei Billionen Dollar öffentlicher Ausgaben für verschiedene soziale Bereiche komplett einzufrieren, wurde genauso von Bundesrichtern vorerst gekippt wie die Auflösung der US-Entwicklungsorganisation USAID samt der Entlassung ihrer Mitarbeiter*innen.
Aber die Zahlungen blieben gestoppt, und am Montag musste Richter John J. McConnell Jr. vom Bundesgericht in Rhode Island das Weiße Haus daran erinnern, dass er bereits am 29. Januar den Ausgabenstopp für ungültig erklärt hatte. Seine Verfügung, schrieb er, sei „klar und unzweideutig“ gewesen. Erst jetzt klagte die Regierung beim zuständigen Berufungsgericht gegen McConnells Entscheidung – was der normale Weg wäre, um ein Vorhaben gegen eine untere Instanz durchzubringen.
Dekrete können nicht gegen Gesetze verstoßen – oder?
Dabei scheint die Rechtslage eigentlich recht eindeutig: Wenn Ausgaben und Programme auf vom Kongress verabschiedeten Gesetzen beruhen, dann ist die Regierung dazu verpflichtet, sie umzusetzen und kann sie nicht als Exekutive allein stoppen.
Das gilt im Übrigen – Kern eines Rechtsstaats – für alle Gesetze: Sie sind bindend. Dekrete kann ein Präsident erlassen und der nächste zurücknehmen. Was aber der Kongress verabschiedet hat, kann auch nur der Kongress zurücknehmen. Wohl nur deshalb wurde Obamas Gesundheitsreform (Obamacare) unter Trump nicht abgeschafft. Und nur deshalb etwa konnte Barack Obama zwar seinerzeit die Beziehungen zu Kuba öffnen, das Wirtschaftsembargo aber nicht abschaffen: Es ist im Helms-Burton-Act von 1996 gesetzlich geregelt.
Insbesondere Trumps Vizepräsident J.D. Vance allerdings will überhaupt nicht einsehen, dass die Exekutive an irgendwelche Regeln gebunden sein sollte und Richter deren Einhaltung überprüfen könnten: Es sei „Richtern nicht erlaubt, die legitime Macht der Exekutive zu kontrollieren“, schrieb Vance am Sonntag auf X.
Harrison Fields, ein Sprecher des Weißen Hauses, ging nicht ganz so weit, sagte allerdings: „Jedes Dekret wird die Gerichte überstehen, denn alle Handlungen der Trump-Vance-Regierung sind vollständig legal. Jede gerichtliche Anfechtung dagegen ist nichts anderes als ein Versuch, den Willen des amerikanischen Volkes zu untergraben.“
Bislang rund 40 Verfahren gegen Trumps Politik
„Es ist sehr ungewöhnlich, dass sich ein Präsident nicht an eine gerichtliche Anordnung hält“, sagt Victoria Nourse vom Georgetown Law Center on Congress and Democracy der New York Times. „Es ist Teil eines Schemas, in dem Präsident Trump versucht, eine Autorität zu beanspruchen, die er nicht hat.“
Angesichts Trump-loyaler republikanischer Mehrheiten in beiden Kongresskammern bleibt es derzeit also an den Gerichten, den Präsidenten in die Schranken zu weisen. Gegen Trumps Politik der ersten drei Wochen sind derzeit bereits rund 40 Gerichtsverfahren anhängig. Kläger*innen sind Generalstaatsanwälte demokratisch geführter Bundesstaaten, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften.
Vorläufig von Gerichten geblockt sind bislang neun von Trumps Dekreten: etwa sein Versuch, das im 14. Verfassungszusatz verbriefte Recht auf US-Staatsbürgerschaft für in den USA Geborene abzuschaffen, der Transfer von weiblichen trans* Häftlingen in Männer-Gefängnisse, der Druck auf Bundesangestellte, binnen kürzester Frist freiwillig zu kündigen und andere mehr.
Noch nicht entschieden sind mehrere Klagen wegen des Konstrukts und der Befugnisse von Elon Musks „Behörde für Regierungseffizienz“, der Abschiebeoffensive und der Säuberungsaktionen in der staatlichen Verwaltung.
Das ist zwar ungleich viel mehr an Rechtsstreitigkeiten als je eine US-Regierung in den ersten paar Tagen ihrer Amtszeit hervorgebracht hat. Aber der Ablauf ist eigentlich normal – es sei denn, die Regierung ignoriert die Gerichte einfach. Dafür gibt es keinen Präzedenzfall. Es droht eine tiefe Verfassungskrise mit ungewissem Ausgang.
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