Rechtsextremist kauft Villa in Berlin: Neonazi mischt Nobelviertel auf
Dass Neonazis Häuser kaufen, ist nicht neu. Bisher ging es jedoch eher um abgeschiedene Bauernhöfe. Jetzt hat ein Rechtsextremist eine Villa in Berlins schickstem Bezirk gekauft.
Eine schlichte beige Hausfassade, ein idyllischer Garten, der bis zum nahe gelegenen Waldsee reicht, und auf dem gepflegten Rasen liegt Spielzeug - nichts deutet darauf hin, dass in diesem noblen Mehrfamilienhaus demnächst eine Zentrale entstehen könnte, die führende Neonazis aus ganz Europa anlockt. Und doch: Seitdem am Wochenende bekannt geworden ist, dass vor einem Jahr der schwedische Unternehmer und Rechtsextremist Patrick Brinkmann für 3,3 Millionen Euro das Anwesen gekauft hat, kursiert bei den Nachbarn in dem noblen Berliner Villenviertel Zehlendorf die Angst, bald unfreiwillig Bekanntschaft mit der europäischen Rechtsextremismus-Szene zu machen.
"Ich mache mir große Sorgen, dass hier demnächst die faschistische Internationale ausgerufen wird", sagt ein Anwohner. Eine Nachbarin fürchtet für den guten Ruf der Straße. Dabei ist bisher doch noch gar nichts passiert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bestätigte lediglich, dass es diesen Immobilienkauf gegeben hat. Was das bedeutet und wie diese Immobilie genutzt wird, darüber wollte oder konnte die Bundesbehörde keine Auskunft erteilen. Dazu sei es noch zu früh, sagte eine Sprecherin.
Berliner Sicherheitsbehörden befürchten, dass in dem Haus eine neue Europazentrale der Neonaziszene entstehen könnte. Ob Brinkmanns rechtsextreme "Kontinent Europa"-Stiftung tatsächlich ihren Sitz nach Berlin verlegt, ist den Behörden bisher aber nicht bekannt.
Der 41-jährige Unternehmer Brinkmann, der beste Kontakte auch zu führenden NPD-Mitgliedern wie Andreas Mohlau und Jürgen Rieger pflegt, kommt aus dem südschwedischen Jönköping. Er gilt als intellektueller Vordenker der rechtsextremen Szene in Schweden und ist Gründer der Stiftung "Kontinent Europa". Basierend auf völkischen Ideen wirbt diese Stiftung nach eigenen Aussagen für eine "großeuropäische Zivilisation". Im Jahr 2004 von Brinkmann gegründet, gilt sie als ein Sammelbecken von rechtsradikalen Intellektuellen aus ganz Europa. "Bisher ist die Stiftung noch nicht sehr tatkräftig in Erscheinung getreten", sagt Daniel Pouhl, Mitarbeiter der antirassistischen Zeitschrift Expo aus Schweden. Erschreckend sei jedoch, wer alles auf der Mitgliederliste stehe. Es lese sich wie ein Whos who der rechtsextremen Szene in Europa.
Geht man auf die Homepage dieser Stiftung, gibt es bei den rechtsextremen Vordenkern aktuell offensichtlich eine rege Debatte über eine neue deutsch-russische Achse als Grundlage einer neuen europäischen Identität. Trotz der historischen Konflikte dürfe nicht vergessen werden, dass der deutsch-russische Verwandtschaftskoeffizient mindestens bei 75 Prozent liege, schreibt der rechtsextreme Anwalt und NPD-Anhänger Jürgen Rieger. Das hieße, "dass eine sehr große Übereinstimmung in der Rassenzusammensetzung" bestehe.
Zudem habe es "in Russland aufgrund einer relativ geringen Wanderungsbewegung nach Moskau keinerlei nennenswerte Wanderung von unterworfenen andersrassigen Völkern in das eigentliche Russland gegeben". Die Russen seien "zweifellos eines der weißesten Völker der Welt, sicherlich unter den großen Nationen die hellste". Ein Bündnis zwischen Russland und Deutschland sei deshalb ideal.
Brinkmann selbst warnt in einem Interview vor einer Verödung Europas durch Flüchtlingsströme unter anderem aus der Türkei, in der er "eine große Gefahr sieht". Auch er wirbt für eine deutsch-russische Achse als Gegengewicht zu den USA.
Brinkmann wohne bereits seit einem Jahr in dem Haus in Berlin, sagt eine Nachbarin. Von einem Treffpunkt für Rechtsextremisten habe sie bisher noch nichts mitbekommen. Eine zweite Anwohnerin gibt sich ganz zuversichtlich, dass in dem Haus so schnell kein Neonazizentrum entsteht. "Falls ja, sind wir sehr schnell aktiv", versichert sie. "Der Zusammenhalt hier in der Nachbarschaft ist sehr groß."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen