Rechtsextremismus: 100.000 Unterschriften für NPD-Verbot
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-Bda) will per Unterschriftensammlung ein neues NPD-Verbotsverfahren anstoßen. Nicht alle Anti-Rechts-Initiativen sind begeistert.
BERLIN taz Als sich die drei bulligen Männer vor ihm aufbauten, bekam es Jürgen Gechter mit der Angst zu tun. Es war vielleicht doch keine gute Idee, sich mit dem Transparent für ein NPD-Verbot vor das Nürnberger Fußballstadion zu stellen, habe er gedacht. Doch dann fragte einer der Männer: "Wo kann ich denn hier gegen die Nazis unterschreiben?" Am Donnerstag mittag sitzt Gechter in Berlin und präsentiert die 100.000 Unterschriften, die die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-Bda) für ein neues NPD-Verbotsverfahren gesammelt hat. "
Die NPD lebt von unseren Steuergeldern, obwohl sie offen verfassungsfeindlich auftritt", sagt Werner Pfennig, der Vorsitzende der VNN, "sie erhält Geld von einem Staat und dessen Institutionen, die sie eigentlich vernichten will." Unterstützt wird er dabei von einer Allianz unterschiedlicher Gruppen - sie reicht vom Gewerkschaftsrat der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di über verschiedene Schauspieler bis hin zu Ludwig Müller, dem katholischen Bischof von Regensburg.
Allerdings verschafft dies der Initiative noch keine Mehrheit unter den Abgeordneten und Innenministern. Diese erinnern sich noch zu gut an das Scheitern eines ersten Verbotsverfahrens gegen die NPD im März 2003. Das Bundesverfassungsgericht wollte in dem Prozess keine Aussagen von V-Leuten des Verfassungsschutzes akzeptieren. Die Behörden wollten diese aber auch nicht abziehen. "Das war absurd und darf auch nicht wieder passieren", sagte Pfennig. Durch Lobbying bemühe man sich aber die Abgeordneten zu überzeugen. "Die Mehrheitsverhältnisse haben sich bereits geändert, und wir machen weiter", sagte Pfennig.
Unmut gegen diese Kampagne kommt ausgerechnet von den Menschen, die ganz konkret mit Rechtsextremismus zu tun haben. Viele Anti-Rechtsinitiativen und Beratungsteams für Opfer rechtsextremer Gewalt sehen den Nutzen eines NPD-Verbots skeptisch. "Das würde nichts ändern, nicht ein bisschen", sagt Friedemann Bringst vom Kulturbüro Sachsen, "rechtsextreme Strukturen würden dann einfach inoffiziell weiterbestehen."
Bringst weiß wovon er spricht. In Sachsen sind derzeit geschätzte 45 so genannte Kameradschaften aktiv. Der Mann, der Opfer rechtsextremer Gewalt berät, glaubt, dass es der Arbeit gegen Rechtsextreme sogar schaden könnte, wenn die NPD nicht mehr da wäre: "Ich weiß, dass es zynisch klingt, aber ohne entsprechende Wahlergebnisse sehen die Parteien hier keine Notwendigkeit gegen Rechtsextreme zu handeln", sagt Bringst, "wenn das Problem nicht mehr offen sichtbar ist, dann werden wir mit unserer Arbeit hier ganz schnell allein gelassen werden."
Außerdem fürchten die Aktivisten, dass viele Menschen das Problem Rechtsextremismus als erledigt ansehen, wenn die NPD verboten würde. Das bestreitet VNN-Mann Pfennig zwar, denn ihm sei "natürlich klar, dass die Zerschlagung der NPD mit einer politischen Bekämpfung des Rechtsextremismus verbunden werden muss." Doch Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung meint trotzdem, "dass eine Auseinandersetzung, bei der allein darauf gebaut wird, dass der Staat schon alles irgendwie regelt, langfristig keinen Erfolg hat."
Das dahinter stehende Weltbild sei etatistisch und staatsfixiert und erspare den Menschen die notwendige politische Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Personen und Einstellungen. "Das funktioniert nach einer ganz simplen Logik: Hier die Guten, da die Bösen und wenn wir die verbieten, sind wir alle Probleme los", sagt Stiftungschefin Kahane. "Das ist aber eine gefährliche Scheinlösung, die nur dazu führt, dass die Probleme, die es natürlich weiterhin gibt, ignoriert werden."
Von dieser Kritik an seiner Kampagne lässt sich VVN-Chef Pfennig nicht beirren: "Wir versuchen mit allen Gruppen zusammen zu arbeiten", sagt er, "und unsere Kampagne geht natürlich weiter." 150.000 Unterschriften will er noch sammeln bis zum 9. November. Danach könne man sich weitere Aktionen vorstellen, beispielsweise eine Kampagne für ein DVU-Verbot.
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