Rechtsextremismus: Vorerst kein NPD-Verbotsverfahren
Zu Beginn der Innenministerkonferenz wollte Bayern die NPD noch verbieten lassen, kam damit aber nicht durch. Bayerische V-Leute würden bei einem neuen Verbotsverfahren nicht abgeschaltet.
Bayern konnte sich mit einer Forderung nach einem NPD-Verbot in der Innenministerkonferenz nicht durchsetzen. Die bis zum heutigen Freitag in Bremen tagenden Innenminister trafen keinen entsprechenden Beschluss.
Auch Bayern setzt nicht mehr ausschließlich auf ein NPD-Verbot, um gegen die rechtsextreme Partei vorzugehen. "Der Innenminister will erreichen, dass mit einem neuen Parteiverbotsverfahren oder auch mit dem Instrument der Parteieinfinanzierung gegen die NPD vorgegangen wird", sagte Innenministeriumsprecher Holger Plank am Freitag der taz. "Unser Ziel ist ganz klar, dass die NPD aus der politischen Landschaft verschwindet."
Doch ob die Rechtsextremen künftig aus der Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden können, ist bei den Innenministern heftig umstritten. Die Idee fand bisher keine Mehrheit. Ingo Wolf (FDP), der zuständige Ressortchef in Nordrhein-Westfalen, sagte am Freitag in Bremen: "Gleiche Rechte für alle."
Bei dem Vorhaben, die NPD aus der Parteienfinanzierung ganz oder teilweise ausschließen zu können, sieht sich Bayerns Innenminister Hermann durch "das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu § 131 StGB bestärkt", sagt Holger Plank.
Im November wies das Gericht eine Beschwerde des Ende Oktober verstorbenen NPD-Politikers Jürgen Rieger nachträglich als unbegründet zurück und bestätigte den so genannten Volksverhetzungsparagraphen. Der Neonazi-Anwalt war vor Gericht gezogen, weil eine von ihm im Jahr 2005 in Wunsiedel angemeldete Veranstaltung zum Gedenken an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß verboten worden war.
Das Bundesverfassungsericht entschied, damit de facto, dass Meinungsfreiheit für Rechtsextremisten nur eingeschränkt gilt. Wegen der Schrecken des Faschismus seien gegen Neonazis ausnahmsweise spezielle Verbote möglich, argumentierten die Richter.
Das bayrische Innenministerium kalkuliert nun offenbar so: Wenn Rechtsextreme in Sachen Meinungsfreiheit gesondert behandelt werden dürfen, dann ist das vielleicht auch beim Geld möglich.
Wenn es zu einem neuerlichen Anlauf für ein NPD-Verbot kommt, will Bayern seine V-Leute in der Neonazitruppe nicht abschalten. "Die Innenminister der Union sind sich alle darüber im Klaren, dass wir bei der NPD auf V-Leute nicht verzichten können", sagt der Ministeriumssprecher. Das sei ein zu großes Sicherheitsrisiko.
Im Übrigen seien die V-Leute "keine Mitarbeiter des Staates, keine verdeckten Ermittler", sagte Sprecher Plank weiter, "es handelt sich vielmehr um Personen aus der jeweiligen Szene, die in der Regel gegen Geld Informationen verkaufen."
Bei der Einstellung des Verbotsverfahrens gegen die NPD im März 2003 waren die V-Leute ein zentrales Argument der Verfassungsrichter in Karlsruhe. Ihrer Ansicht nach ließ sich nicht genau nachvollziehen, inwieweit diese für Äußerungen und Handlungen der NPD verantwortlich waren. Im Klartext lautete ihre Frage: Trat die NPD nur deshalb so radikal auf, weil vom Staat bezahlte Mitglieder in hohen Positionen die Partei dazu anstifteten?
Auch damals behaupteten die Antragssteller von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat, die V-Leute seien nur bezahlte Informanten und hielten sich im Hintergrund. Mehrere Richter und Experten bezweifelten dies.
Für ein erneutes Verbotsverfahren bastelt man laut bayrischem Innenministerium derzeit an einem neuen Konzept. Allzu viele Details dazu werden nicht verrraten. "Ausgangspunkt für ein neuerliches Verbotsverfahren wird eine umfangreiche Materialsammlung sein", sagte Innenministeriumssprecher Plank. Man werden alle Informationen zusammentragen, die für das Verbotsverfahren maßgeblich sein könnten.
Die solle "Arbeits- und Diskussionsgrundlage für weitere Abstimmungen mit anderen Bundesländern und dem Bund" sein.
Diese Sammlung soll ganz offenbar nicht nur aus offiziell zugänglichen Quellen bestückt werden, sondern auch mit Zulieferungen staatlich bezahlter Zuträger in der NPD. "Das Material, das wir dem Bundesverfassungsgericht vorlegen, müssen wir so auswählen und aufbereiten, dass einerseits der Quellenschutz gewahrt bleibt", sagte Innenministeriumsmann Plank. Andererseits müsse der Eindruck vermieden werden, "das vorgelegte Material oder die NPD als Partei, sei in irgendeiner Weise maßgeblich durch V-Leute beeinflusst."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin